„Wind of Change“
In der kommenden Woche dürften mehrere Entwicklungen ihren Kulminationspunkt erreichen. Es stehen also aus Anlegersicht wichtige Weichenstellungen an. Als erstes ist da ein möglicher geldpolitischer Kurswechsel der Bank of England (BoE) und der USNotenbank Federal Reserve (Fed) zu nennen.
Einige wichtige Zentralbanken behalten die lockere Geldpolitik bei, die BoE und die Fed hingegen bereiten sich auf eine allmähliche Rücknahme der Krisenmaßnahmen vor. Die durch höhere Rohstoffpreise, Lieferengpässe und rasch steigende Löhne ausgelöste Inflationsbeschleunigung macht den Zentralbanken Sorgen. Der Preisauftrieb ist stärker und länger ausgefallen als die Geldpolitiker ursprünglich erwartet hatten.
Daher wird bei der BoE-Sitzung in der kommenden Woche möglicherweise kein lebhafter Widerstand gegen den baldigen Beginn eines Zinsanhebungszyklus laut werden. Derweil dürfte die Fed voraussichtlich eine Reduzierung ihrer Wertpapierkäufe („Tapering“) ankündigen, die sich derzeit auf 120 Milliarden US-Dollar pro Monat belaufen. Wenn die Käufe monatlich um 15 Milliarden US-Dollar verringert werden (10 Milliarden bei Treasuries und 5 Milliarden bei hypothekenbesicherten Wertpapieren), sollte das „Tapering“ bis Juni/Juli 2022 abgeschlossen sein. Die erste Zinserhöhung könnte dann kurz darauf folgen.
Wohlgemerkt ist es nach wie vor wahrscheinlich, dass sich einige inflationstreibende Faktoren als temporär erweisen. Rohstoff- und Lieferkettenkosten könnten im kommenden Jahr sogar disinflationär wirken, falls sich das Angebot wieder erhöhen sollte. Die Engpässe am Arbeitsmarkt dagegen könnten die Inflation verfestigen, wie wir bereits an anderer Stelle erläutert haben. In einem Bericht der St. Louis Federal Reserve hieß es kürzlich, dass insgesamt 5,25 Millionen Arbeitskräfte in den USA fehlen. Über drei Millionen davon sind wahrscheinlich in einen vorgezogenen Ruhestand gegangen. Das heißt: Wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften lebhaft bleibt und diese Frührentner nicht wieder erwerbstätig werden, könnte sich die in einigen Sektoren (z.B. Restaurants) bereits zu beobachtende Lohn-Preis-Inflation ausweiten.
Neben den Entscheidungen der Fed und der BoE sollte man auch die Entwicklungen in China im Blick behalten. China hat derzeit mit mehreren Problemen gleichzeitig zu kämpfen, u.a. neuerlichen Covid-19-Ausbrüchen und Lockdowns, Stromknappheit und dem Schuldenabbau im Immobiliensektor. Zusammengenommen deuten diese Faktoren darauf hin, dass die Konjunkturverlangsamung in China bis ins Jahr 2022 hinein anhalten könnte. Und da große Teile der Welt von Chinas Exporten abhängen, könnten die anhaltenden Unterbrechungen im dortigen verarbeitenden Gewerbe und im Speditionssektor die globale Lieferketteninflation verlängern.
Die Woche voraus
Die Entscheidungen der Fed und der BoE stehen am Mittwoch bzw. Donnerstag an. Auch außerhalb der Geldpolitik passiert in der kommenden Woche einiges. Am Montag und Dienstag wird sich die Aufmerksamkeit auf Daten aus China richten. Dann werden die Oktober-Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe bzw. den Dienstleistungssektor veröffentlicht. Für die Anleger geht es darum, ob sich der jüngste Abwärtstrend stabilisiert oder verschärft hat.
Über die ganze Woche verstreut werden Daten aus dem Euroraum veröffentlicht: Am Dienstag stehen die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe an, am Mittwoch die Arbeitslosenquoten, am Donnerstag die Produzentenpreise und am Freitag die Einzelhandelsumsätze. Insgesamt sollte die Lage bei moderat steigenden Inflationsaussichten und Konsumausgaben stabil bleiben.
Auch in den USA werden wichtige Daten veröffentlicht. Am Montag könnte der ISM für das verarbeitende Gewerbe im Oktober auf eine Verringerung des bislang extremen Preisdrucks hinweisen. Am Mittwoch werden die Autoverkäufe im Oktober (die zuletzt durch die Knappheit an Halbleitern gedämpft wurden), die Auftragseingänge für dauerhafte Konsumgüter und der ISM für den Dienstleistungssektor bekanntgegeben. Und zum Wochenschluss am Freitag gibt es dann noch die US-Beschäftigungszahlen für Oktober. Konsensschätzungen zufolge sollten mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, und nach 194.000 neuen Stellen im September sollten im Oktober 385.000 Arbeitsplätze entstanden sein. Die Arbeitslosenquote dürfte bei 4,8% verharren, das Lohnwachstum könnte sich verlangsamen.
Märkte im Blick
Aktien notieren nach wie vor stark und profitierten während der jüngsten Volatilitätsspitzen von „Buy-the-Dip“-Anlegern. Dabei floss Kapital in Technologieaktien und in defensivere Titel. Der stetige Rohstoffpreisanstieg hält die Inflationsdiskussion am Leben und ist ein Argument für höhere Anleiherenditen.
Nutzen Sie den Wind der Veränderung!
Greg Meier
Senior Economist Direktor
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