„Zwischen Handels- und Wachstumssorgen“
Nach der Europawahl am vergangenen Wochenende ist eine größere politische Fragmentierung auf europäischer Ebene deutlicher geworden. Während die proeuropäischen Fraktionen zwar nach wie vor eine Mehrheit haben, zeichnen sich schwierige Koalitionsgespräche ab. Die größten Implikationen dieser Wahl dürften eher auf nationaler Ebene spürbar sein: Der Zugewinn EU-kritischer Parteien, u.a. der rechtsnationalen „Lega“ in Italien, sollte für weitere politische Instabilität sorgen, Griechenlands Ministerpräsident Tsipras hat für das Land eine vorgezogene Neuwahl angekündigt, in Belgien gestaltet sich die Regierungsbildung weiterhin schwierig, während die EU-kritische Partei um Nigel Farage den Brexit-Kurs der neuen Regierung stark beeinflussen dürfte.
Die politische Unsicherheit dürfte kaum nachlassen, wenngleich die Auswirkungen auf den Anleihe- und Aktienmarkt zu Beginn der Kalenderwoche begrenzt waren – vieles schien bereits eingepreist zu sein. Interessanter ist da der Blick auf die Rohstoffmärkte. Zwar räumten zuletzt gestiegene US-Lagerbestände – das höchste Niveau seit Juli 2017 – Bedenken einer Angebotsknappheit aus dem Weg, die zunehmenden Handelsspannungen zwischen den USA und China dürften aber im Hinblick auf das globale Wachstum ihren Tribut fordern. So kamen Rohstoffe, insbesondere der Ölpreis, im Zuge einer potentiell nachlassenden Nachfrage unter Druck, während sich die marktbasierten US-Inflationserwartungen auf Sicht der nächsten 5 Jahre weiter eintrübten.
Der anhaltende Handelskonflikt macht sich aber auch noch anderweitig bemerkbar: Geldmarktfonds verzeichneten mit fast 50 Mrd. US-Dollar den stärksten Mittelzufluss seit Anfang des Jahres, während Aktien der Schwellenländer in den letzten fünf Wochen vermehrt Kapitalabflüsse verkraften mussten. Die Nachfrage nach US-Staatsanleihen hält weiter an, und neben dem japanischen Yen ist es der US-Dollar, der trotz einer deutlichen Überbewertung und einseitiger Positionierung spekulativer Anleger nach wie vor als Hort der Sicherheit dient. Und das, obwohl konjunkturell das verarbeitende Gewerbe in den USA zunehmend den Gegenwind aus dem Handelskonflikt spürt. Der Markit Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe fiel auf den niedrigsten Stand seit September 2009 (von 52,6 auf 50,6 Punkte) und auch die Auftragseingänge für langlebige Konsumgüter deuteten für April auf eine spürbare Abkühlung der US-Konjunkturdynamik hin. Auf der anderen Seite des Pazifiks, in Japan, fiel der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe im Mai auf 49,6 und damit unter die Wachstumsschwelle, während Chinas Industriegewinne im April aufgrund einer niedrigeren Nachfrage und Aktivität im verarbeitenden Gewerbe um knapp 4% gegenüber Vorjahr sanken.
So werden die Stimmen nach fiskalischem Stimulus lauter. In den USA gab Präsident Trump ein milliardenschweres Hilfspaket (16 Mrd. US-Dollar) bekannt, um jene Branche, die besonders unter dem Handelskrieg mit China leidet, zu helfen – der Landwirtschaft. Ein zusammen mit versöhnlichen Worten in Sachen Handelskonflikt bekanntes Muster, so dass mittlerweile schon von einem „Trump-Put“ die Rede ist, um die Märkte zu stützen. Hinzu kommt die abwartende Haltung der US-Notenbank („Fed-Put“) sowie die Unterstützung des Industriesektors durch die chinesische Regierung mittels Infrastrukturprogramme oder erleichterten Zugang zu Krediten („Xi-Put“). Übrigens: China stellt sich mehr und mehr darauf ein, dass es keine kurzfristige Lösung geben könne – laut einem staatlichen Research Institut könnte der Handelskrieg noch bis 2035 anhalten. Sollte sich das Wachstum demnach weiter abschwächen, dürfte mit zusätzlichen kräftigen geld- und vor allem fiskalpolitischen Maßnahmen gegengesteuert werden.
Die Woche Voraus
Aus den USA kommen einige aufschlussreiche Indikatoren. Der ISM-Einkaufsmanagerindex (Mo) sowie die Auftragseingänge der US-Indus-trie (Di) sollten weitere Auskunft geben, in welcher konjunkturellen Verfassung sich die US-Konjunktur befindet. Der ADP-Arbeitsmarktbericht (Mi) liefert ein erstes Indiz auf die von der US-Regierung am Freitag veröffentlichten offiziellen Arbeitsmarktzahlen für Mai. Die Handelsbilanz (Do) sollte im Kontext des schwelenden Handelskonflikts gesehen werden. In der Eurozone liegt der Fokus länderspezifisch neben den Auftragseingänge für die deutsche Industrie (Do) auf der Industrieproduktion bzw. den Handelsdaten aus Deutschland und Frankreich (Fr). Mit Spannung dürfte allerdings der Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag verfolgt werden, liegen doch die Verbraucherpreise (Do) nach wie vor unter der Zielmarkt der EZB von knapp unter 2 Prozent, während sich zudem die marktbasierten Inflationserwartungen weiter abschwächten. In Asien richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Konjunkturdaten aus China. Ob sich die chinesische Industrie der globalen Wachstumsschwäche entziehen kann, zeigt der Caixin Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe (Mo), während die Währungsreserven (Fr) Hinweise geben könnten, ob die chinesische Zentralbank in den Markt interveniert hat, um die lokale Währung zu stützen.
Active is:
Während sich technische Indikatoren wie die Relative-Stärke-Indizes (RSI) zuletzt auf niedrigem Niveau stabilisiert haben, stieg der Anteil der Bären gemäß der jüngsten Umfrage der American Association of Individual Investors (AAII) zuletzt auf knapp 40%. Gemäß jener Umfrage wurde zwar Liquidität (Cash) auf 15% reduziert, doch im Gegenzug erhöhte sich der Anteil von Aktienfonds um 2 Prozentpunkte auf 37%. Gute Steilvorlagen, dass sich die Bullen wieder in den Vordergrund spielen.
Zuversicht selbst in volatileren Zeiten, meint Ihr
Stefan Scheurer
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