Immer die Grundlagen im Blick behalten!
Inflation ist seit geraumer Zeit kein Thema mehr gewesen – aber mit Blick auf die Zukunft stellen sich allmählich Fragen. In Europa, den USA und Japan liegen die Preisindizes nach wie vor deutlich unter dem Zielwert von 2%, den die meisten wichtigen Zentralbanken anstreben. Warum das so ist, liegt auf der Hand: Wir befinden uns mitten in einer globalen Pandemie, und die Weltwirtschaft ist im Vergleich zur Situation vor dem Ausbruch von Covid-19 geschrumpft.
Bei der Inflationsentwicklung könnte sich jedoch bald etwas ändern, wenn auch nicht unbedingt aus den Gründen, die zunächst offensichtlich erscheinen. Ökonomen messen die Inflationsrate in der Regel gegenüber dem Vorjahr. Dementsprechend werden demnächst die von der Pandemie verzerrten Werte des Jahres 2020 als Vergleichsbasis dienen. Aufgrund eines mechanischen „Basiseffekts“ ist daher mit einem gewissen Preisanstieg zu rechnen. Dieser dürfte on einigen Ländern moderat ausfallen, in anderen (unter anderem den USA) dagegen durchaus spürbar. Nun lautet die Frage, wie die Märkte darauf reagieren und ob längerfristig mit einer Inflationsbeschleunigung zu rechnen ist.
Bislang ging es in der Diskussion vor allem um „positive Überraschungen“, was in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Inflationsdaten über den Erwartungen lagen. Hauptgrund dafür war der Preisanstieg bei Rohstoffen, insbesondere bei Lebensmitteln und Energie. Inzwischen werden jedoch noch weitere Güter knapp. Einige Unternehmen melden bereits steigende Inputpreise und Lieferengpässe und haben angekündigt, die höheren Kosten an die Endkunden weitergeben zu wollen.
Gegen eine Inflationsbeschleunigung spricht die schwache Arbeitsmarktentwicklung in den USA. Zuletzt fand zwar ein durchaus bemerkenswerter Stellenaufbau statt, der aber durch die pandemiebedingten Arbeitsplatzverluste mehr als kompensiert wurde. Auch wenn in den USA seit Mai 12 Millionen Stellen geschaffen wurden, verharrt die Beschäftigung nahe den Tiefständen der vergangenen Rezession. Wenn so viele Menschen arbeitslos sind, dürften die Löhne nicht unbedingt ansteigen.
Wohin geht also die Reise? Basiseffekte dürften in nächster Zeit für höhere Inflationsraten sorgen. Im April/Mai könnte sich der Preisauftrieb in den USA kurzfristig auf über 2% beschleunigen, was bei unvorbereiteten Anlegern zu Marktturbulenzen führen könnte. In der zweiten Jahreshälfte 2021 wird die Pandemie den Ausblick bestimmen. Wenn alles gut geht, könnten Impferfolge, die hohe Ersparnis der privaten Haushalte und der Nachfragestau die Wachstumsraten auf ein überraschend hohes Niveau treiben. In diesem Falle sollten die Zentralbanken nach Jahren der strukturellen Disinflation und angesichts der neuen Politik, die auf ein „durchschnittliches Inflationsziel“ abstellt, in Bezug auf Zinsanhebungen zögerlicher sein als in der Vergangenheit.
Die Woche voraus
Der Datenkalender wird uns in dieser Woche Aufschluss über den Zustand der Weltwirtschaft Ende 2020 und Anfang 2021 geben. Am Montag wird China Daten zur Produktion im verarbeitenden Gewerbe veröffentlichen; wahrscheinlich hat sich das Wachstum im Januar im zweiten Monat in Folge verlangsamt. In Europa wird Deutschland ins Blickfeld rücken; dort könnten die Einzelhandelsumsätze im Dezember gesunken sein, die Produktion im verarbeitenden Gewerbe könnte dagegen angestiegen sein. Auch in den USA stehen Daten zum verarbeitenden Gewerbe an; der ISM-Index dürfte so kräftig wie seit August 2018 nicht mehr ansteigen.
Am Dienstag und Mittwoch wird sich die Aufmerksamkeit auf den Euroraum richten. Nach dem sprunghaften Wachstum um 12,4% im dritten Quartal könnte das BIP im vierten Quartal wieder geschrumpft sein; der Rückgang wird auf 2,3% geschätzt. Die vorläufigen Daten zur Verbraucherpreisinflation für Januar dürften bei der Kernrate einen stetigen Verlauf ausweisen und bei der Gesamtrate einen Anstieg auf -0,2%. Dies wäre der höchste Stand seit fünf Monaten.
Am Freitag wird dann die möglicherweise wichtigste Zahl der Woche veröffentlicht: der monatliche Arbeitsmarktbericht für die USA.
Nach einem Rückgang der Beschäftigung um 140.000 im Dezember wird für Januar ein leichter Anstieg um 20.000 erwartet. Es wäre zwar ermutigend, wenn per saldo wieder Stellen geschaffen würden – aber die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich von 6,7% auf 6,8% ansteigen.
Technische Lage
Kurzfristig stehen Aktienanleger vor einem Dilemma. Einerseits waren die Kapitalzuflüsse in den Aktienmarkt hoch, die Vorsicht ging zurück, und die Risikobudgets wurden erhöht. Andererseits haben die Kennzahlen für den Anlegeroptimismus noch keine Extremwerte erreicht.
Wir behalten die jüngsten Rückgänge der Anleiherenditen und des Wechselkurses des US-Dollar im Auge, um Anzeichen für überzogene Positionierungen erkennen zu können.
Behalten Sie die Grundlagen im Blick!
Greg Meier
Senior Economist Direktor
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