Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 27.09.2019

„Die Rückkehr von RORO“
Nach der Ernüchterung Ende des Jahres 2018 sind die ersten drei Quartale im Kalenderjahr 2019 für Anleger in fast allen Assetklassen sehr gewinnbringend verlaufen. Hauptsächlich die Aussicht auf erneute Stützung der Konjunktur durch die Zentralbanken haben sowohl Aktien- als auch Rentenmärkte beflügelt. Seit Mitte diesen Jahres fällt aber zunehmend eine Zweiteilung der Ertragslandschaft auf: Entweder riskantere und somit schwankungsanfälligere Vermögensklassen wie Aktien, Hochzinsanleihen oder Industriemetalle wiesen positive Erträge auf oder die Gruppe als sicher oder defensiv wahrgenommener Vermögensklassen wie Staatsanleihen, Unternehmensanleihen mit guter Bonität oder Gold konnte Gewinne verbuchen. Kurz gesagt: Risiko rauf oder runter, oder Englisch „risk-on – risk-off“.

Nachdem die Kapitalmärkte nicht nur die globale Finanzkrise, sondern auch den vorläufigen Höhepunkt der Eurozonen-Schuldenkrise gegen Ende 2013 verarbeitet hatten, hat die Kombination aus solider Konjunktur und expansiver Geldpolitik eine Phase eher gleichlaufender Erträge zwischen sicheren und riskanten Vermögensklassen ermöglicht, die Liquiditätsflut der Zentralbanken hat sprichwörtlich „alle Boote gehoben“ – mit Ausnahme des Jahres 2018, als fast alle Vermögensklassen eine negative Wertentwicklung verzeichneten.

Dieses Umfeld scheint sich nun dem Ende zuzuneigen. Zweifel an der Widerstandsfähigkeit des Konjunkturzyklus und an der Effektivität weiterer geldpolitischer Stimulusmaßnahmen sowie die weiterhin hohen politischen Unsicherheiten erfordern bei Anlegern wieder stärkeres Risikobewusstsein. Gerade konjunkturelle Sorgen wurden in der vergangenen Woche durch schwache vorläufige Einkaufsmanagerindizes für den Monat September aus der Eurozone bestätigt.

Die Woche voraus
Im Nachgang der Zentralbankmeetings und vor der anbrechenden Gewinnberichtssaison ab Mitte Oktober sollten in der kommenden Woche hauptsächlich Konjunkturdaten im Mittelpunkt stehen. Wie gewöhnlich zum Monatswechsel werden am Dienstag die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe und am Donnerstag für das Dienstleistungsgewerbe für einen Reigen von Ländern und Regionen veröffentlicht. Die vorläufigen Daten deuten zumindest für die Eurozone auf eine weitere Verlangsamung der Wachstumsdynamik hin. Deutschland könnte im dritten Quartal sogar in eine vorerst milde, sogenannte „technische“ Rezession einbiegen, also zwei Quartale hintereinander ein negatives Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt aufweisen. In Japan wird außerdem am Dienstag die Tankan-Umfrage für das dritte Quartal erwartet. In den USA sollte der Arbeitsmarktbericht am Freitag etwas mehr Klarheit darüber bringen, wie viel geldpolitische Unterstützung der Federal Reserve in diesem Jahr noch von Nöten ist um den US-Konjunkturzyklus am Laufen zu halten. Am Mittwoch kommt außerdem aus der Eurozone die Vorabschätzung für die Konsumentenpreisinflation im September.

Politisch könnte Großbritannien in den Mittelpunkt rücken. Nach der Entscheidung des obersten Gerichtshofes, dass die von Prime Minister Boris Johnson durchgesetzte Zwangspause des Parlamentes unrechtmäßig ist, dürften die politischen Entscheidungsprozesse in Richtung Brexit wieder volle Fahrt aufnehmen – am Mittwoch bricht der letzte Monat vor der derzeitigen Deadline am 31. Oktober an. Ein (erzwungener) Rücktritt von Boris Johnson rückt dabei ebenso in den Bereich des Möglichen wie eine erneute Verlängerung der Brexit-Frist und Neuwahlen im vierten Quartal.

Active is: Risikobewusstsein stärken
Die Rückkehr des Risk-on Risk-off-Phänomens sowie schwache Konjunkturdaten besonders aus der Eurozone lassen uns weiter vorsichtig agieren. Bei stärkerer Differenzierung der Kapitalerträge bleiben aktive Vermögensallokationsentscheidungen wichtiger denn je.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche,
Ihr
Stefan Rondorf


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