Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 26.07.2019

Die Geldpolitik wird es schon richten – oder?

Die Weltkonjunkturbefindet sich beileibe nicht in einem freien Fall, der unweigerlich und in naher Zukunft in einer Rezession mündet. Die Hoffnungen auf eine Konjunkturbeschleunigung in den Mittelquartalen dieses Jahres müssen Investoren jedoch vorerst ad acta legen. Zu schwer lasten die fortdauernde Schwäche im Handel und geopolitische Unsicherheiten auf dem globalen verarbeitenden Gewerbe. Der IWF hat daher jüngst seine Konjunkturprognose gesenkt. Für sich genommen kein Grund für überschäumenden Enthusiasmus an den Börsen. Immerhin zeichnen sich positive Signale nach der Wiederaufnahme der Handelsgespräche zwischen den USA und China ab.

Maßgeblich für die höheren Börsenkurse – der globale MSCI-Aktienindex legte seit Jahresbeginn um etwa 17% zu und übertrifft damit den Zehnjahresdurchschnitt – ist derzeit jedoch der Eifer der Notenbanken, weitere Stimulierungsmaßnahmen zu lancieren. Ganz in diesem Sinne signalisierte die Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer „taubenhaften“ Ratssitzung am Donnerstag weitere Handlungsbereitschaft. Risikoreichere Anlageklassen wie Aktien und Unternehmensanleihen waren auch in der abgelaufenen Woche begehrt.

Für eine anhaltend aufgehellte Börsenstimmung wird jedoch entscheidend sein, ob den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern eine (seltene) „weiche Landung“ des alternden Konjunkturzyklus gelingt, mit der die Grundlage für einen erneuten globalen Aufschwung gelegt werden könnte. Ob die Zentralbanken allmächtig sind, sei dahingestellt. Die hohen Markterwartungen bergen unseres Erachtens ein gewisses Enttäuschungspotenzial.

Noch hinterlassen die eingetrübten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Bremsspuren. Zum einen bei den Unternehmensgewinnen, wie sich an den sich mehrenden Gewinnwarnungen in der laufenden Berichtssaison, insbesondere in Europa, ablesen lässt. Die Hoffnungen ruhen auf der zweiten Jahreshälfte. Zum anderen hat im Euroraum – trotz der äußerst günstigen Finanzierungsbedingungen – die steigende Risikoaversion der Banken angesichts der Sorge vor einer wirtschaftlichen Abschwächung zu strafferen Kreditvergaberichtlinien im Firmenkundengeschäft im zweiten Quartal geführt. Eine Kehrtwende des seit 2014 anhaltenden Lockerungszyklus, wie aus der jüngsten EZB-Umfrage hervorgeht.

Die Woche voraus

Auch in der kommenden Handelswoche geben die Zentralbanken den Takt für die Kapitalmärkte vor. In den USA richtet sich das Augenmerk auf den Zinsentscheid der Federal Reserve (Mi). Der US-Geldmarkt preist mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 80% eine Leitzinssenkung von 25 Basispunkten (Bp) ein. Das Zielband für die Fed Funds Rate läge dann bei 2,00-2,25%. Mit einem weiteren Zinsschritt wird am 18. September gerechnet. Die feste Verfassung des Arbeitsmarkts (Fr) spricht für die Einschätzung eines „insurance rate cut“ in einem nicht-rezessiven Konjunkturumfeld. In der Vergangenheit haben solch‘ vorsorgliche Zinssenkungen der Fed maximal 75 Bp betragen.

Nach einem überraschend kräftigen Wirtschaftswachstum Japans im ersten Quartal (+0,6% ggü. Vorquartal) lassen die jüngsten Konjunkturdaten in der kurzen Frist auf einen nur mäßigen Anstieg der Wirtschaftsleistung schließen. Zuletzt waren die Bedenken hinsichtlich der Belastbarkeit des privaten Konsums im Vorfeld der für Oktober geplanten Mehrwertsteuererhöhung gestiegen (u.a. fallende Löhne im Vorjahresvergleich). Der Fokus richtet sich daher auf die Einzelhandelsumsätze (Mo), Arbeitslosenquote (Di) und das Verbrauchervertrauen (Mi). Ein Umfeld, in dem die Bank of Japan (Mo) den Markterwartungen entsprechend unverändert an ihrem lockeren Kurs festhalten wird. Ein Zinsschritt im Herbst würde am Geldmarkt jedoch nicht für eine Überraschung sorgen.

Im Euroraum deuten Konjunkturindikatoren auf eine Abkühlung im zweiten Quartal (Mi) hin, nachdem sich das Wachstum im ersten Jahresviertel um 0,4 % (ggü. Vorquartal) beschleunigt hatte. Eine Erholung des Exportgeschäfts und der Industrie ist noch nicht zu erkennen. Mit einem Anteil von 15,4% des gesamten Warenverkehrs (2018) ist China der zweitwichtigste Handelspartner der Europäischen Union nach den USA (17,1%). Daher dürften neben dem Economic Sentiment Indicator (Di) auch die chinesischen Einkaufsmanagerindizes (Mi, Do) im Auge behalten werden. Hinweise darauf, ob die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte nach wie vor intakt sind, liefern das GfK-Verbrauchervertrauen (Di), die französischen Konsumausgaben Juni (Di) sowie die Arbeitslosenzahlen für das Euro- Währungsgebiet (Mi). Für die EZB werden darüber hinaus die Verhandlung des Bundesverfassungsgericht über die EZB-Anleihenkäufe (Mi) sowie die Inflationszahlen für Spanien (Mo), Frankreich und Italien (Mi) von Interesse sein. Zwar haben die Angebotsverknappung von Rohöl und geopolitische Unsicherheiten das Risiko eines Ölpreisanstiegs im zweiten Halbjahr erhöht. Für 2019 erwartetet die EZB aber lediglich eine Teuerung von 1,3% und steht damit weiterhin unter Druck, ihr Preisstabilitätsziel von „unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht“ zu gewährleisten.

Die Sitzung der Bank of England (BoE) lässt die geldpolitisch geprägte Woche ausklingen (Do). In Anbetracht der anhaltenden Brexit-Ungewissheit dürfte sie vorerst die Füße stillhalten und von einem dritten Zinsschritt absehen, obwohl sich binnenwirtschaftlicher Preisdruck aufbaut. Ob die BoE perspektivisch am Leitzins schraubt – und wenn ja, in welcher Richtung – wird davon abhängen, wie der EU-Austritt vonstattengeht. Das unter dem neuen Premier Boris Johnson greifbare Szenario eines „ungeordneten“ Brexit ließ den Pfund-Wechselkurs unlängst auf ein Zweijahrestief rutschen.

Active is

Was bedeutet all dies für Anlageentscheidungen? Die sich abzeichnende geldpolitische Lockerung stützt für sich genommen risikobehaftete Anlageklassen. Ob dies mittelfristig jedoch ausreicht, um eine anhaltend aufgehellte Stimmung an den Börsen zu erzeugen, scheint mit einem Fragezeichen behaftet. Zumindest solange den Notenbanken keine „weiche“ Landung gelingt und eine Belebung bei Konjunktur und Unternehmensgewinnen ausbleibt.

Selbst die Götter der griechischen Mythologie waren nicht allmächtig, meint Ihre

Ann-Katrin Petersen
Vice President, Global Economics & Strategy


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