Nach dem Stimulus ist vor dem Stimulus
Die abgelaufene Handelswoche begann mit gleich mehreren Paukenschlägen:
- Die kräftige Abwertung der türkischen Lira zeigt einmal mehr, dass die Devisenmärkte eine unabhängige Zentralbank bevorzugen.
- In Deutschland haben steigende CoronaInfektionszahlen und die stockende Impfkampagne Bund und Länder dazu veranlasst, den Lockdown erneut zu verlängern (bis zum 18. April) und moderate Erleichterungen faktisch zurückzunehmen. Die wirtschaftliche Erholung könnte daher später als erwartet einsetzen.
- Nicht nur der im Vergleich zur Europäischen Union (EU) dynamischer verlaufende Impfprozess untermauert die derzeitige konjunkturelle Ausnahmestellung der USA – Stichwort „US Exceptionalism“ – in einem insgesamt positiven globalen Ausblick für das Jahr 2021 (siehe auch unsere Grafik der Woche). Denn in Amerika scheint die Devise zu lauten „nach dem Stimulus ist vor dem Stimulus“
Nachdem zu Monatsbeginn ein 1,9 Bio. US-Dollar schweres Konjunkturpaket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie verabschiedet wurde, nimmt US-Präsident Joe Biden bereits das nächste Wirtschaftsprogramm ins Visier. Ziel des auf zehn Jahre angesetzten „American Recovery Plan“ mit einem, Presseberichten zufolge, Umfang von etwa 3 Bio. US-Dollar ist es, das langfristige Wachstumspotenzial der größten Volkswirtschaft der Welt zu erhöhen. Geplant sind unter anderem großzügige Investitionen in eine Erneuerung der Infrastruktur, eine klimaneutrale Umgestaltung der Wirtschaft und in Bildung.
Der Haken:
Zum einen hat Präsident Biden bereits im Wahlkampf Steuererhöhungen in Aussicht gestellt, um die Konjunkturpakete nicht allein über eine höhere Neuverschuldung zu finanzieren. Diese sind im Kongress zwar umstritten und noch nicht in Stein gemeißelt. Da höhere Körperschaftssteuern allerdings eine Belastung für die Gewinnmargen amerikanischer Unternehmen darstellen, sollten Anleger, die sich im Jahresverlauf weiter entfaltende politische Debatte im Blick behalten.
Zum anderen könnte eine mögliche fiskalpolitische „Überstimulierung“ der US-Wirtschaft – an Überhitzungserscheinungen festzumachen wie steigenden Inflationsrisiken – die US-Notenbank Fed irgendwann dazu bringen, früher als von den Marktteilnehmern erwartet ihre gelpolitische Unterstützung zurückzuschrauben. Für risikoreichere Anlageklassen könnten in einem Szenario scharf hoch-schnellender US-Renditen die Abwärtsrisiken dominieren. Auf ihrer Notenbanksitzung in der vergangenen Woche bekräftigte die Fed jedoch erneut, dass auf absehbare Zeit noch nicht mit einer Drosselung der Anleihekäufe geschweige denn höheren Leitzinsen zu rechnen sei.
Es bleibt also dabei: Angeführt von den USA befinden sich die Finanzmärkte derzeit in einem Tauziehen zwischen einem günstigen makroökonomischen Umfeld einerseits (globale Konjunkturbeschleunigung mit Wachstumsraten über Potenzial im zweiten und dritten Quartal, flankiert durch eine fortgesetzt lockere Wirtschaftspolitik) und den wachsenden Befürchtungen einer Drosselung der geldpolitischen Unterstützung im Laufe der Zeit andererseits.
Die Woche voraus
In Asien dürften die chinesischen Einkaufsmanagerindizes (Mi, Do) den Takt vorgeben. Obwohl weltweit der Ruf der Einkaufsmanagerindizes als valide Frühindikatoren aufgrund ihrer hohen Volatilität während der Corona-Krise gelitten hat, schauen Anleger weiterhin genau hin, wenn diese veröffentlicht werden. Die chinesische Wirtschaft hat den Einbruch Anfang 2020 schon lange wettgemacht. Zuletzt hatten Stimmungsindikatoren eine Verlangsamung des Aufschwungs signalisiert.
Im Euroraum gibt der Economic Sentiment Indikator der EU-Kommision (Di) einen Hinweis darauf, wie wacker sich die Konjunktur angesichts der anhaltenden Lockdown-Maßnahmen schlägt. Die fortschreitende Impfkampagne und milderen Temperaturen sprechen für sich genommen für ein zaghaftes Frühlingserwachen der Wirtschaftsaktivität nach einem harten Winterhalbjahr 2020/21, v.a. für den Dienstleistungssektor. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass dieses „Aufatmen“ erst in den April-Frühindikatoren spürbarer zutage tritt. Derweil lassen Sonderfaktoren wie signifikante Basiseffekte, steigende Rohstoffpreise und mögliche Engpässe im Dienstleistungssektor im Anschluss an eine Lockerung der Corona-Beschränkungen spürbare höhere Inflationsraten (Mi) in den kommenden Monaten erwarten. Vorübergehend anziehende Verbraucherpreise sollten die Europäische Zentralbank jedoch kaum von ihrem derzeitigen Lockerungskurs abbringen.
In den USA geben eine Reihe zentraler Frühindikatoren wie das Verbrauchervertrauen (Di) und der ISM-Einkaufsmanagerindex (Do) für März Hinweise auf die Wachstumsperspektiven im zweiten Quartal. Das Auslaufen von Sonderzahlungen hatte jüngst auf Konsumindikatoren (wie den Einzelhandelsumsätzen) gelastet und das strenge Winterwetter im Februar auf der Industrieproduktion. Es sollte sich um Ausreißer in einem insgesamt dynamischen Konjunkturumfeld gehandelt haben. Darüber hinaus richtet sich das Augenmerk auf den Arbeitsmarktbericht. Die Fed erwartet für das laufende Jahr nicht nur das kräftigste Wirtschaftswachstum seit 1984 (Prognose von 6,5%), sondern auch eine fallende Arbeitslosenquote. Auch Finanzministerin Janet Yellen hält eine Rückkehr zu Vollbeschäftigung im Jahr 2022 für durchaus realistisch, wie sie am Dienstag bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus verlautbarte. Ein nur minimaler Stellenzuwachs würde daher an den Märkten mit Enttäuschung aufgenommen und kurzfristig mit Renditeabwärtsdruck bei US-Staatsanleihen einhergehen. In einem Umfeld, in dem die Fiskalpolitik die Schleusen weit öffnet, sollte sich grundsätzlich jedoch der Trend moderat steigender Staatsanleihenrenditen fortsetzen.
Die US-Fiskalpolitik gibt weiter den Ton an, meint
Ihre, Ann-Katrin Petersen
Investment Strategist, Vice President, Global Economics & Strategy
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