Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 25.01.2019

„Der Countdown läuft“
An dieser Stelle wurde vor einigen Wochen bemerkt, dass sich die Anleger im neuen Jahr vornehmlich mit „alten Bekannten“ beschäftigen müssen: Neben weniger expansiver Geldpolitik und aufkommender Sorgen um die Konjunkturdynamik bleiben verschiedenste politische Unsicherheiten als wesentliche Treiber der Kapitalmärkte.
Betrachtet man die Dimension politische Unsicherheit genauer fällt auf: Bei den zwei derzeit am stärksten diskutierten politischen Unsicherheiten, Handelskonflikt und Brexit, nähern wir uns auf der Zeitschiene wichtigen Weggabelungen, die die Unsicherheiten vermutlich nicht vollständig beseitigen werden, zumindest aber wichtige Richtungs-entscheidungen – fürs nächste - bringen dürften. Wir nähern uns also einem Höhepunkt politischer Unsicherheit. Ab da sollte der Countdown in Richtung mehr Gewissheit laufen.

Beim Handelskonflikt zwischen den USA und China läuft Ende Februar die Frist zur Verständigung ab. Ohne Kompromiss würden die USA Einfuhrzölle auf chinesische Importprodukte im Wert von etwa 200 Mrd. Dollar von 10% auf 25% erhöhen, was eine wesentliche Eskalationsstufe in diesem Konflikt darstellen würde. Obwohl die Weltöffentlichkeit keinerlei transparente Informationen über den Verhandlungsstand hat, kann man aufgrund zweier Tatsachen ganz vorsichtigen Optimismus schöpfen:

  • Es gibt regelmäßige Verhand-lungen auf verschiedenen Arbeitsebenen.
  • Beide Seiten sind zuletzt mit einer Eintrübung von Konjunkturindikatoren konfrontiert gewesen, das dürfte die Kompromissfähigkeit eher erhöhen.

Beim Brexit drängt die Zeit nun merklich, der 29. März ist nur noch etwa 9 Wochen entfernt. In all dem Wirrwarr ist zu erkennen, dass das britische Parlament eine größere Rolle im Prozess spielen dürfte. Und auch wenn noch nicht klar ist, welche Option im Parlament eine Mehrheit finden wird, kann man doch mit einiger Sicherheit vermuten, dass es dort eine Mehrheit dafür gibt, einen unkontrollierten Austritt aus der EU zu vermeiden. Was sich zeigt: Je grösser die politische Unsicherheit in Großbritannien, desto schwächer handelt das britische Pfund – und vice versa.

Bei all der Aufmerksamkeit für die Weltpolitik geht fast unter, dass für die Sparer der Eurozone auch ein Countdown anlaufen könnte: Der Abschied von den Nullzinsen im Herbst diesen Jahres. Aber halt: Nach der Sitzung der Europäischen Zentralbank diese Woche ist dieser aber tendenziell ins Stocken geraten. Die Euro-Notenbanker sehen viele Unsicherheitsfaktoren und bekräftigen zunächst ihre abwartende Haltung. Sparer sollten sich nicht darauf verlassen, dass es bald wieder nennenswerte Zinsen gibt. Die Akteure am Geldmarkt der Eurozone glauben jedenfalls schon länger nicht mehr and eine Erhöhung des Leitzinses in diesem Jahr. Das gilt für Japan nach der Sitzung der dortigen Notenbank umso mehr.

Die Woche voraus
Nächste Woche sollten die Anleger mit den Gewinnberichten zum 4. Quartal 2018 bzw. zum Gesamtjahr 2018 beschäftigt sein. Nach dem im November und Dezember die Gewinnschätzungen in einigen Sektoren sehr stark nach unten korrigiert wurden, stellt sich die Frage ob sich hier zunächst eine Stabilisierung der Gewinnerwartungen einstellt. Wenn man wie wir nicht an eine unmittelbare Rezession sondern eher an eine Wachstumsabkühlung glaubt, sollte zumindest die Geschwindigkeit, mit der die Analystenschätzungen im Vorfeld nach unten angepasst werden, sich demnächst verlangsamen.
Daneben kommt am Mittwoch die nächste Sitzung der US-Notenbank Federal Reserve auf uns zu. Nahezu niemand erwartet eine Zinsänderung, es dürfte vorwiegend darum gehen, ob die Risiken für die US-Konjunktur in den Augen der Notenbanker so stark zugenommen haben, dass sie stärkere Signale für eine Pause im Zinserhöhungszyklus aussenden.Bei den Konjunkturdaten stehen der US-Arbeitsmarktbericht und einige regionale US-Frühindikatoren und das Verbrauchervertrauen im Blickpunkt. Ansonsten ist der US-Datenkalender dünner als gewohnt da viele nationale Daten aufgrund des „Government Shutdowns“ nicht veröffentlicht werden. Für die Eurozone stehen das Bruttoinlandsprodukt für das vierte Quartal, und die Vorabschätzung derVerbraucherpreisinflation für Januar an. Aus Japan bilden die Daten zur Industrieproduktion für den Dezember den Mittelpunkt des Interesses.

Active is: Vorsicht walten zu lassen.
Ein nachlassendes Konjunkturmomentum, Abwärtsrevisionen bei den Unternehmensgewinnen, eine weniger großzügige Liquiditätsversorgung der Zentralbanken und angestiegene Verschuldungskennziffern der Staaten mahnen langfristig zu erhöhter Vorsicht an den Kapitalmärkten. Kurzfristig könnten die Richtungsentscheidungen bei politischen Unsicherheiten aber für etwas mehr Klarheit sorgen, was die Börse durchaus begrüßen könnte.

Der Countdown läuft. Bleiben Sie dran,
Stefan Rondorf


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