Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 24.05.2019

„Bulle und Bär zerren an Goldlöckchens Rockzipfel“
Bullen und Bären schenken sich derzeit nichts. Zumindest scheinen sich, getrieben durch mehr oder weniger unerfreuliche (handels-)politische Nachrichten, kurzfristige Kauf- und Verkaufswellen munter abzuwechseln. Im Zentrum steht insbesondere die Frage, ob die sich wieder verhärtenden Fronten zwischen Washington und Peking der kurzzeitigen „Goldlöckchen“-Hoffnung an den Börsen (verbesserte Wachstumsdynamik bei verhaltener Inflation und geduldigen Zentralbanken) den Garaus machen. Anleger tun in dieser nebulösen Gemengelage gut daran, die wichtigsten Markttreiber im Blick zu behalten. Was spricht für ein „Meltup“-Szenario, in dem die Bullen die Oberhand behalten? Dies wäre das Positivszenario.

  •  Geldpolitik: Geduldigere Zentralbanken, allen voran die US-Notenbank Fed, pausieren bei der Normalisierung von Zinssatz und Bilanz. Die quantitative Lockerung „QE“ mutierte im Jahr 2018 zu „QT“ (Straffung) und nun augenscheinlich zu „QP“ (Pause). In China und Europa ist darüber hinaus ein verstärkter fiskalpolitischer Stimulus auszumachen.
  • Konjunktur: Maßgebliche Frühindikatoren hatten zuletzt auf ein „Frühlingserwachen“ der Weltkonjunktur hingedeutet. Offenbar entfalten die verstärkten bzw. verlängerten wirtschaftspolitischen Maßnahmen ihre Wirkung. Ergo: Die kurzfristigen Rezessionsrisiken sind niedrig (im Rahmen einer über-greifend spätzyklischen Konjunkturverlang-samung). Das Jahr 2020 – und nicht 2019 – dürfte wohl das kritische Jahr sein, in dem sich das „Schicksal“ des aktuellen Konjunkturzyklus entscheidet.
  • Politik: Die USA und China vereinbaren auf dem G20-Gipfel am 28./29. Juni im japanischen Osaka eine (vorübergehende) Beilegung ihrer Handelsstreitigkeiten. Gerade für die exportorientierte Industrie bleibt eine Einigung eine wichtige Voraussetzung, um die Schwächephase zu beenden.
  • Positionierung: Anleger, die sich seit der Kurskorrektur im vierten Quartal 2018 vom Aktienmarkt ferngehalten haben, weil sie dem Aufwärtstrend seit der Jahreswende nicht trauten, entschließen sich zum Einstieg. Steigende Notierungen könnten folglich eine vorübergehende Eigendynamik entwickeln.

Oder erringen die Bären die Vorherrschaft? Im Negativszenario sorgen folgende potenzielle Störfaktoren für Kursrückschläge:

  •  Geldpolitik: Die großen Notenbanken agieren zwar zögerlicher, kehren der Normalisierung aber nicht gänzlich den Rücken. Verbessern sich die Konjunkturdaten fortgesetzt, dürfte die Fed zeitverzögert ihren Zinserhöhungszyklus in Richtung des „neutralen“ US-Leitzinsniveaus von knapp 3,00% wieder aufnehmen. Der Rentenmarkt, der statt Zinserhöhungen von 25-50 Basispunkten sogar eine Senkung einpreist, würde auf dem falschen Fuß erwischt, verschärfte Finanzierungsbedingen wären die Folge.
  • Konjunktur: Trotz der „grünen Konjunkturtriebe“ fällt der Datenfluss insgesamt noch durchwachsen aus, bei erhöhten spätzyklischen Abwärtsrisiken (z.B. allmählicher Druck auf unternehmerische Gewinnmargen durch steigende Lohnkosten).
  • Politik: Bekannte (z. B. Handelskrieg, Brexit, Naher Osten) und unbekannte „Unbekannte“ halten die Bullen weniger bei Laune, sondern vielmehr im Zaum. Dass nun etwa der chinesische Telefonriese Huawei auf der roten Liste der Amerikaner steht, senkt die Chancen für eine Beilegung auf dem G20-Gipfel.
  • Bewertungen und Markttechnik: Einige risikobehaftete Anlageklassen (z.B. USAktien, Unternehmensanleihen) sind aus fundamentaler Sicht weiterhin ambitioniert bewertet. Charttechnische Indikatoren deuten auf Anfälligkeiten bei unvorhergesehenen Ereignissen hin. So liegt der Anteil der Investoren, die von einer niedrigeren Volatilität an der US-Börse ausgehen („short vola“), inzwischen zwar unterhalb, aber nahe Rekordhochs.

Die Woche voraus
Die Berichtssaison für das erste Quartal 2019, die in den USA und Europa geprägt war durch eine abnehmende Abwärtsrevisiondynamik bei auskömmlichen Umsätzen, neigt sich dem Ende zu. Den Takt werden nun vielmehr Frühindikatoren wie die EU-Wirtschaftsstimmung (Di), das USVerbrauchervertrauen (Di) und der chinesischen Einkaufsmanagerindex (Fr) geben. Von politischer Seite werden mit Spannung die Ergebnisse der Europawahlen (23.-26. Mai) erwartet, während die Briten mit einer geschwächten Regierungschefin May verzweifelt um Lösungen für den Brexit ringen. Zumindest sollten beim EUHandelsministertreffen (Di) die von US-Präsident Trump vertagten Autozölle für eine gewisse Erleichterung sorgen.

Active is.
Was bedeutet all dies für Anlageentscheidungen?
Klar ist: Der „taubenhafte“ Schwenk der Geldpolitik stützt für sich genommen risikobehaftete Anlageklassen. Kurzfristig sind jedoch beide oben ausgeführten Szenarien denkbar.

Fazit: Beim munteren Tauziehen zwischen Bullen und Bären zeichnet sich augenblicklich in einer insgesamt unausgewogenen Lage noch kein Gewinner ab. Das legt zum einen ein breit gestreutes Portfolio nahe, zum anderen eine taktisch neutrale Position bei risikobehafteten Anlagen in einem Multi-Asset-Kontext, die eine aktive Auswahl von Wertpapieren mit Leben füllt.

Bleiben Sie munter, meint Ihre
Ann-Katrin Petersen


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