Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 22.01.2021

Mein Name ist Bond

Während viele Kinofans noch länger auf den nächsten Auftritt von James Bond warten müssen, ziehen Bonds (zu deutsch: Anleihen) auf den Kapitalmärkten zu Jahresbeginn die Aufmerksamkeit auf sich. Im Fokus steht die laufende Rendite von zehnjährigen USStaatsanleihen, welche seit dem Tiefpunkt Anfang August 2020 um rund 65 Basispunkte gestiegen ist und sich damit mehr als verdoppelt hat. Auch in der Eurozone oder Großbritannien haben sich die Renditen von den Tiefstständen nach Pandemieausbruch erhöht, aber deutlich gemäßigter.

Welche Faktoren spielen für den Anstieg eine Rolle? Zur Einordnung sollte als erstes das rekordtiefe Startniveau betrachtet werden. Beeindruckt von Risikoaversion und der in der Krise schnell und massiv einschreitenden Geldpolitik war die Rendite der amerikanischen „Zehnjährigen“ im Sommer letzten Jahres auf den historischen Tiefststand nahe 0,5% gerutscht. Nach einer Stabilisierung von Kapitalmärkten und Wirtschaftsaktivität, aber auch in Folge rekordverdächtigen Geldmengenwachstums, möchten Anleger wieder stärker für zukünftige Inflationsrisiken entschädigt werden (siehe Chart der Woche). Ein weiterer Treiber war die Aussicht auf ein weiteres großes Konjunkturpaket als eine der ersten Amtshandlungen des neuen USPräsidenten Joe Biden. Dies würde das Angebot neu emittierter Anleihen deutlich vergrößern, weshalb Anleger fallende Preise (und entsprechend höhere Renditen) erwarten.

Anleger an den Rentenmärkten müssen sich an eine neue Reaktionsfunktion der Federal Reserve gewöhnen. Die US-Zentralbank hat angekündigt, in diesem Konjunkturzyklus erst später als gewohnt an der Zinsschraube zu drehen. Grund ist das neue Durchschnittsinflationsziel. Weil Inflationsraten zuletzt deutlich unter dem Ziel von 2% lagen, hat man vor, für einige Zeit ein Überschreiten dieser Zielmarke zu tolerieren.

Der Anstieg der Anleiherenditen zuletzt hat auch die Euphorie an den Aktienmärkten ein wenig gebremst. Das Kalkül dahinter: stiegen Renditen ungebremst weiter, wären Anleihen irgendwann wieder eine ernstzunehmende Anlagealternative. Zudem würden die Diskontierungssätze mit den Aktienanalysten in ihren Bewertungsmodellen rechnen wieder angehoben werden müssen – ein Gegenwind vor allem für Wachstumsaktien, bei denen Gewinne und Dividenden noch einige Jahre in der Zukunft liegen.

Die Woche voraus

In der kommenden Woche gibt es weiter reichlich Impulse für Anleger. Nach einem ganzen Reigen von Zentralbank-Sitzungen in dieser Woche rundet die Federal Reserve am kommenden Mittwoch den ersten Sitzungszyklus im neuen Jahr ab. Es dürfte ein Treffen des Kurshaltens, ohne große geldpolitische Änderungen werden. Auf der politischen Seite fangen in den USA die ersten 100 Tage der Regierung Biden an, mit den Prioritäten Virusbekämpfung und einem neuen Fiskalprogramm.

Zudem nimmt die Gewinnberichtssaison zum vierten Quartal 2020 in den USA an Fahrt auf. Zwar dürfte das Gewinnwachstum am Ende ein moderates Minus im Vergleich zum Vorjahr aufweisen, es dürfte allerdings merklich besser als die zum Jahreswechsel von Analysten erwartete Rate von -9% ausfallen. Zur Erinnerung: in den beiden Vorquartalen war das berichtete Gewinnwachstum am Ende deutlich höher als vorab geschätzt.

Und auch der volkswirtschaftliche Kalender ist gut gefüllt. Sentimentindikatoren wie der deutsche Ifo-Index, das USVerbrauchervertrauen oder das Geschäftsklima der EU-Kommission geben Einblick wie sehr die erneuten LockdownMaßnahmen die Aussichten der Wirtschaftslenker belasten. In Japan stehen Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze aus dem Dezember an. Zum Ende der nächsten Woche werden außerdem die ersten Schätzungen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal 2020 aus den USA, Deutschland und Frankreich berichtet werden.

Der Weg zu geldpolitischer Verschärfung dürfte noch weit sein.

Die großen Zentralbanken sollten einen schnellen Renditeanstieg bei Anleihen verhindern wollen, da dies teurere Kredite und restriktivere finanzielle Bedingungen bedeutet. Dafür ist die immer noch pandemiegeplagte Weltwirtschaft mit ihrer enorm angestiegenen Verschuldung keineswegs bereit. Nicht verwunderlich, dass zuletzt wichtige Zentralbanker weltweit betont haben, dass ein Ausstieg aus der historisch expansiven Geldpolitik noch länger dauern dürfte. Von dieser Seite dürften risikobehaftete Vermögensklassen also vorerst gestützt bleiben. Wie der Drink von James Bond könnten die Aktienmärkte von länger als erwarteten Lockdown-Maßnahmen oder einem zwischenzeitlich etwas überbordendem Optimismus bei Neuemissionen und vereinzelten TechnologieAktien durchgeschüttelt werden.

Eine erfolgreiche Woche wünscht,

Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy


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