Sorglosigkeit?
Es ist schon verblüffend: Der chinesische Aktienmarkt in Shanghai hat zu Beginn der Kalenderwoche seine Verluste seit Ausbruch des Corona Virus (COVID-19) komplett aufgeholt. Wichtige Aktienindizes markierten neue Allzeithochs. Der Ölpreis stieg um fast 10% innerhalb der letzten beiden Wochen, während der Volatilitätsindex (VIX) seit Anfang Februar um über 20% fiel. Und das alles vor dem Hintergrund zunehmend schwächerer Konjunkturdaten und der Ungewissheit über das Ausmaß von COVID19. Herrscht Sorglosigkeit unter den Marktteilnehmern?
Nach konjunkturellen Erholungsanzeichen dürften sich im laufenden Monat die konjunkturellen Aussichten eher wieder abschwächen – einen ersten Vorgeschmack lieferte das Wirtschaftswachstum im 4.Quartal für Japan, das sich im Zuge der Mehrwertsteuererhöhung annualisiert über 6% gegenüber Vorquartal abschwächte.
Die Auswirkungen des Corona Virus sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt höchst ungewiss und hängen von der Dauer, dem Ausmaß und der geografischen Ausbreitung der Epidemie ab. Fakt jedoch ist, dass China inzwischen wesentlich stärker in die Lieferketten Asiens und der Weltwirtschaft integriert ist als zu Zeiten von SARS 2002/2003. Betrug 2002 Chinas Anteil an der globalen Bruttowertschöpfung etwa 8%, stieg dieser Anteil auf nunmehr 19%. Es besteht somit ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, dass sich die derzeitige Konsensmeinung, dass das globale Wachstum nur kurzzeitig beeinträchtigt wird (ähnlich wie bei SARS) und sich im Laufe dieses Jahres vollständig erholen wird, als zu optimistisch erweisen könnte. Bedingt durch die zu erwartenden Auswirkungen des Corona Virus hat u.a. Singapur seine Prognose für das Wachstum in diesem Jahr um einen Prozentpunkt auf eine Spanne von -0,5% bis -1,5% gesenkt. Ganz zu schweigen von den noch nicht abschätzbaren Implikationen auf das chinesische Wachstum und der damit verbundenen negativen Ausstrahleffekte entlang der gesamten Wertschöpfungsklette in Asien bzw. weltweit. Mit Blick auf unser Basisszenario eines spätzyklischen „Durchwurstelns“ überwiegen somit weiterhin die Abwärtsrisiken, und das obwohl (geo-)politische Spannungen nachgelassen haben. Als erste Gegenmaßnahme hat die chinesische Notenbank (PBoC) ihren Zins für einjährige Kredite auf den niedrigsten Satz seit 2017 gesenkt. Weitere Schritte zur Lockerung der Geldpolitik dürften nicht nur in China, sondern auch in anderen Ländern – vor allem aber asiatischen Schwellenländern – folgen. Selbst für die US-Notenbank wird mittlerweile ein Zinsschritt von fast 40 Basispunkten bis Ende des Jahres eingepreist.
Die Woche Voraus
Während die US-Berichtssaison bereits ihren Höhepunkt überschritten hat – in etwa 75% der Unternehmen konnten die Gewinnschätzungen der Analysten übertreffen –, richtet sich das Augenmerk wieder vermehrt auf die konjunkturelle Lage in den USA. Frühindikatoren im Laufe der kommenden Kalenderwoche - u.a. Dallas Fed Index verarbeitende Gewerbe (Mo) oder der Richmond Fed Index (Di) – könnten hier einen ersten Geschmack liefern, ob und inwieweit sich negative Übertragungseffekte durch das Corona Virus auf die Wertschöpfungskette der US-Industrie ergaben. In diesem Kontext dürften neben dem Verbrauchervertrauen (Di) des Conference Boards für Februar auch die vorläufigen Auftragseingänge für langlebige Güter von Interesse sein (Do). Für die Eurozone liegt neben der aktuellen Wirtschaftsstimmung (Do) das Augenmerkt vor allem auf den Verbraucherpreisen (Fr). Diese sollten vor allem vor dem Hintergrund der Debatte um die strategische Überprüfung bzw. mögliche Neuausrichtung der Europäische Zentralbank (EZB) und ihres Inflationsziel Beobachtung finden. Auf Länderebene wird für Deutschland am Montag der vielbeachtete ifo-Geschäftsklima veröffentlicht. Nach einer überraschenden Eintrübung zu Jahresbeginn, könnte die Stimmung in den Unternehmen erneut von den Erwartungen – ähnlich wie beim ZEWIndex – für das nächste halbe Jahr belastet werden. In Asien richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf Japan. Neben den Verbraucherpreisen aus dem Großraum Tokio (Fr) könnten es vor allem die Einzelhandelsumsätze sowie die vorläufigen Daten zur Industrieproduktion sein, die das Interesse der Investoren wecken dürften.
Active is.
Mit der Veröffentlichung der ersten Sentiment- und Konjunkturindikatoren in den kommenden Wochen – die dann auch den Zeitraum des Virenausbruchs abdecken – wird es entscheidend sein, inwieweit die positive Wertentwicklung an den Kapitalmärkten der letzten Wochen fundamental gerechtfertigt ist; oder ob die Märkte nicht in Antizipation von zusätzlichen monetären und fiskalischen Stimulusmaßnahmen und einer V-förmigen Konjunkturerholung in der zweiten Jahreshälfte zu sorglos sind. Denn technisch gesehen zeigen die Märkte Zeichen der Anfälligkeit: Die Put-Call Ratios liegen teils eine Standardabweichung unterhalb des langfristigen Durchschnitts, während die Relative-StärkeIndizes insbesondere für die USA ein zunehmend überkauftes Marktumfeld andeuten. So wundert es nicht, dass die Stimmung unter Fondsmanagern laut der jüngsten Umfrage der Bank of America weniger „bullisch“ ist als noch im Januar (vor dem Ausbruch des Corona Virus), Gold ein neues 7-Jahreshoch erreichte und globale Anleihefonds laut Datenanbieter EPFR einen Rekordnettomittelzufluss auf Wochenbasis von 23,6 Mrd. USDollar erzielten.
Widerstandsfähigkeit wünscht Ihnen, Ihr
Stefan Scheurer
Director, Global Capital Markets & Thematic Research.
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