Zeit gewinnen?
Tut sie es oder tut sie es nicht – die US-Notenbank Federal Reserve? Das ist derzeit die mit am häufigsten gestellte Frage unter Investoren. Denn während sich der US-Arbeitsmarkt in anhaltend guter Verfassung zeigte, US-Haushalte sich als konsumfreudig erweisen und die US-Inflationsdaten besser als erwartet ausfielen, heizten die taubenhaften Signale von US-Notenbankchef Jerome Powell vor dem Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses die Zinssenkungsfantasie und damit die Aktienkurse weiter an. Die Marktteilnehmer scheinen sich in der abgelaufenen Kalenderwoche einzig über die Höhe der Zinssenkung noch uneins gewesen zu sein, während der breit gefasste US-Aktienmarktindex (S&P 500) ein neues Allzeithoch erreichte.
Viele Investoren fragen sich daher, ob es den geld- und fiskalpolitischen Entscheidungsträgern gelingt, eine (seltene) „weiche Landung“ des seit mehr als 120 Monaten anhaltenden Konjunkturzyklus der USA zu erreichen – mit der die Grundlage für einen erneuten Aufschwung gelegt werden könnte. Erste vorsichtige Anzeichen einer Stabilisierung waren zumindest im abgelaufenen Monat erkennbar, allerdings zeichneten die jüngst veröffentlichten Wirtschaftsdaten, insbesondere aus dem verarbeitenden Gewerbe, ein eher verhaltenes US-Konjunkturbild. Die ISM-Einkaufsmanagerindizes für das Dienstleistungsgewerbe sowie die für das verarbeitende Gewerbe – insbesondere die Unterkomponente der Exportaufträge – gaben weiter nach, während die Ausgaben für Investitionsgüter weiterhin nicht überzeugen konnten. Die Vermutung könnte nahe liegen, dass sich die allmähliche Abschwächung des globalen Wachstums teils nun auch beim verarbeitenden US-Gewerbe bemerkbar macht.
So dürfte zwar die Aufmerksamkeit internationaler Investoren weiterhin auf der Entwicklung handfester ökonomischer Konjunkturindikatoren liegen, in den kommenden Wochen könnte sich der Fokus allerdings verstärkt auf den Verlauf der aktuellen Berichtssaison zum zweiten Quartal 2019 richten. Denn der Handelskonflikt zwischen den USA und China könnte sich erstmals verstärkt im Umsatz- bzw. Gewinnwachstum der Unternehmen widerspiegeln. Das erwartete Q2-Gewinnwachstum für den US-Aktienmarkt S&P 500 liegt bei -3.0% bzw. bei +0,8% für den europäischen Aktienmarkt Stoxx600. Sollte der tatsächliche US-Gewinnrückgang in Q2 eintreten, wäre es das erste Mal seit 2016 und könnte laut der jüngsten Umfrage der US-Großbank Bank of America Merrill Lynch (BofAML) unter Fondsmanagern die Stimmen nach einer Gewinnrezession in den USA lauter werden lassen.
Die Woche voraus
Aus den USA kommen einige aufschlussreiche Indikatoren. Frühindikatoren wie der Chicago Aktivitätsindex (Mo), der Richmond Fed Index (Di) zu Beginn der Woche, vor allem aber auch der Markit Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe (Mi) dürfte mit Interesse verfolgt werden, haben sie doch historisch gesehen einen hohen Gleichlauf – Korrelation von ca. 0,8 – mit der Gewinnentwicklung der nächsten 12 Monate des US-Aktienmarktes. Am Donnerstag folgen die Auftragseingänge für langlebige Güter. Ein leichter Zuwachs wird erwartet, allerdings dürften sie im Trend weiter auf eine Abschwächung im verarbeitenden Gewerbe in den USA hindeuten. Ende der Woche (Fr) folgt die erste Schätzung zum US-Bruttoinlandsprodukt für das zweite Quartal 2019 – der Konsensus erwartet ein annualisiertes Wirtschaftswachstum von 2,0% (Q1: 3,1%). Das könnte Einfluss auf die in der darauffolgenden Woche stattfindende Leitzinsentscheidung der Fed haben.
In der Eurozone ist es neben den Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe (Mi), vor allem die Leitzinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag, die im Mittelpunkt des Anlegerinteresses stehen dürfte. Das Protokoll zur Ratssitzung im Juni unterstrich die Bereitschaft zu einem noch lockereren geldpolitischen Kurs. Auch wenn diese bereits auf der Ratssitzung am 25. Juli zum Tragen kommen könnte – u.a. durch die Anpassung der Forward Guidance –, scheint die September-Sitzung wahrscheinlicher, um gegebenenfalls den Einlagesatz in Verbindung mit der Anpassung ihrer optimistischen Wachstumsschätzungen für 2020 zu senken.
In Deutschland liegt der Fokus hingegen auf dem ifo-Geschäftsklimaindex (Do), während nach Bekanntgabe der chinesischen Konjunkturdaten in der abgelaufenen Woche sich die Aufmerksamkeit in Asien vorwiegend auf die japanischen Einkaufsmanagerindizes (Mi) bzw. die Verbraucherpreise im Großraum Tokio (Fr) richtet. In Summe ergibt sich ein Konjunkturbild für Japan aus nachlassendem Wirtschaftswachstum und geringeren Lohndruck, das die Frage nach einer weiteren Verschiebung der für Oktober geplanten Mehrwertsteuererhöhung aufwerfen könnte.
Active is.
Eine Reihe von Notenbanken sendete zuletzt deutliche geldpolitische Entspannungssignale – in der abgelaufenen Woche waren es die Zentralbanken von Korea, Indonesien und Südafrika. Sollte zusätzlich die US-Notenbank und perspektivisch die EZB an der Zinsschraube drehen, könnte das einen Multiplikatoreffekt nach sich ziehen, dem sich weitere internationale Zentralbanken in naher Zukunft anschließen dürften. Die billige Liquidität könnte risikoreiche Vermögenswerte weiter begünstigen, die Volatilität niedrig halten und den Konjunkturzyklus abermals verlängern. Zwar verbuchten Geldmarktfonds in der ersten Juli-Woche Nettomittelzuflüsse von 42 Milliarden US-Dollar, doch Investoren scheinen sich allmählich zu positionieren. Der Anteil der Bären gemäß der American Associaton of Individual Investors hat sich in der abgelaufenen Woche von 43% auf 27% reduziert, während der Anteil der Bullen von 22% auf 34% stieg. Mitunter auch aufgrund der Jagd nach Rendite, denn der Anteil ausstehender Staats- und Unternehmensanleihen mit negativer Rendite hat mittlerweile ein Volumen von rund 13 Billionen US-Dollar erreicht.
Zeit für die Renditejagd wünscht Ihnen
Ihr
Stefan Scheurer
Director, Global Capital Markets & Thematic Research
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