Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 18.10.2019

Ausweg aus der Sackgasse?

Die vorläufige Vereinbarung, die am vergangen Freitag im Handelskonflikt zwischen den USA und China erzielt worden ist, dürfte eine weitere Eskalation zwischen beiden Staaten vorübergehend verhindern und könnte nach vorne blickend den ersten Schritt für einen Ausweg aus der Sackgasse bedeuten. Ebenso kam es zu einer überraschenden Annäherung in den seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der Europäischen Union. Die internationalen Kapitalmärkte nahmen die Teileinigung im Zollstreit sowie die Entwicklung in den EU-Austrittsverhandlungen (Brexit) wohlwollend auf und stiegen teilweise sogar knapp unter ihre Allzeithochs (S&P, Nas-daq) bzw. unter ihre Höchststände des laufenden Jahres (Stoxx 600, EuroStoxx 50, DAX, Nikkei).

Doch gilt es nach wie vor Vorsicht walten zu lassen:

  1. Auch wenn sich die USA und China auf die Umrisse eines Abkommens einigten, das bereits im nächsten Monat am Rande des Treffens der Pazifikanrainerstaaten (APEC) Mitte November in Chile unterzeichnet werden könnte, bleiben die großen strukturellen Fragen im Handelsstreit nach wie vor ungeklärt. Ebenso unklar ist, ob die geplanten zusätzlichen Strafzölle von 15% auf Konsumgüter im Wert von rund 160 Mrd. US-Dollar Mitte Dezember in Kraft treten.
  2. Streitpunkt beim Brexit ist nach wie vor die Verhinderung einer harten Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland („Backstop“-Lösung). Trotz neuer Vorschläge erscheint es fraglich, ob die nordirische DUP-Partei sowie die Hardliner der Konservativen Partei letztendlich einer Regelung im Parlament zustimmen.

Klar scheint, dass sich der Brexit sowie der Handelskonflikt negativ auf das globale Wirtschaftswachstum auswirken. Letzterer spiegelte sich in der abgelaufenen Woche auch in Chinas Außenhandelsstatistiken wider, wenngleich die schwache Entwicklung des Außenhandels sowohl auf Gründe außerhalb wie innerhalb Chinas zurückgehen dürften. Auf Seiten der USA zeigte der schwache ISM-Einkaufsmanagerindex, dass auch die hiesige Wirtschaft nicht immun gegenüber einer globalen Wachstumsverlangsamung ist, während in der Eurozone der Industrie eine Rezession droht. In Summe sei in fast 90% der Welt ein langsameres Wachstum für 2019 zu erwarten, so die neue Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, mit der Folge, dass die Zentralbanken längerfristig ihre Zinssätze niedrig halten dürften – so haben seit Anfang des Jahres internationale Zentralbanken mehr als 40- mal ihre Leitzinsen gesenkt, erstmals seit drei Jahren auch die Zentralbank des Stadtstaats Singapur.

Die Woche Voraus

Nachdem der IWF und die Weltbank ihre jüngsten Prognosen zum Weltwirtschaftswachstum erneut nach unten revidiert haben, richtet sich vor diesem Hintergrund der Fokus in den USA vor allem auf den am Donnerstag veröffentlichten Markit Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe. Denn jener Index dürfte – entgegen dem ISM-Index – vielmehr den aktuellen wirtschaftlichen Zustand der US-Binnenkonjunktur widerspiegeln. Die Auftragseingänge für langlebige Güter (Do) – als Frühindikator für die industrielle Nachfrage – könnten hierzu ein weiteres Indiz liefern, während die Q3-Berichtssaison in der kommenden Woche in den USA an Fahrt aufnimmt.

In der Eurozone richtet sich der Blick neben den vorläufigen Einkaufsmanagerindizes auf den Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB; beide Do). Nachdem EZB-Präsident Draghi im September ein umfassendes Lockerungspaket durchgesetzt hat, werden für die anstehende Zinssitzung keine Neuerungen erwartet. Es markiert aber die letzte EZB-Sitzung unter Draghis Führung, dessen Präsidentschaft vor allem durch drei Worte in Erinnerung bleiben dürfte – „whatever it takes“. In Deutschland dürfte der ifo-Geschäftsklimaindex im Mittelpunkt stehen (Fr), während in Großbritannien die Verhandlungen über den „Brexit“ auch nach dem EU-Ratsgipfel (17-18.Okt) weiter anhalten dürften, sollte es keine Einigung in den Verhandlungsgesprächen zwischen der EU und Großbritannien geben. Falls es jedoch zu einer überraschenden Einigung kommt, könnte das britische Parlament bereits am Samstag (19. Okt,) darüber abstimmen. Doch für den Fall der Fälle wird bereits ein nächster EU-Gipfel für den 29./30. Oktober diskutiert – um gegebenenfalls vor dem möglichen EU-Austritt Großbritanniens am 31.Oktober (ohne Abkommen) eine erneute Verlängerung des EUAustrittstermins gemäß Artikel 50 zu beantragen.

Während in den Emerging Markets Zinsentscheide u.a. in Ungarn (Di), Chile (Mi), Indonesien, Türkei (beide Do) und Russland (Fr) anstehen – Zinssenkungen vor allem in den letztgenannten Ländern werden erwartet –, richtet sich in Asien die Aufmerksamkeit insbesondere auf Japan, das seine Außenhandelsdaten für September (Mo) bekanntgeben wird. Die leichte Schwäche des japanischen Yens zum US-Dollar seit Ende August könnte hier zu einer Verbesserung der Exportstatistik geführt haben sowie zu einer Stabilisierung des Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe (Do).

Active is

Kurzfristige Indikatoren zur Positionierung deuten an, dass sich die Investoren vermehrt abwartend positioniert haben: Laut der Umfrage der American Association of Individual Investors (AAII) stieg der Anteil der „Bären“ in den letzten vier Wochen von 28% auf 44% an – der Anteil der „Bullen“ fiel auf den niedrigsten Stand seit Mai 2016 –, während Put-Call Ratios zwischenzeitlich den höchsten Stand seit April 2010 erreichten. Dazu passt, dass weltweite Anleihe- und Geldmarktfonds laut dem Datenanbieter EPFR seit Anfang des Jahres Nettomittelzuflüsse von insgesamt über 860 Mrd. US-Dollar (fast 22 Mrd. US-Dollar allein in der letzten Woche) verzeichneten – trotz einem Volumen der umlaufenden Anleihen mit negativer Rendite von mehr als 14 Bio. US-Dollar. Doch mit den aktuellen politischen Entspannungssignalen (Brexit und Handelskonflikt) könnte sich die politische Unsicherheitsprämie in den kommenden Wochen womöglich verringern und zusammen mit einer international zunehmend akkommodierenden Geldpolitik Unterstützung für die globalen Aktienmärkte mit sich bringen.

Freie Fahrt wünscht Ihnen,
Ihr

Stefan Scheurer
Director, Global Capital Markets & Thematic Research


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