"Zwischen Hoffen und Bangen"
Zwischen Hoffen und Bangen…so könnte man den Gefühlszustand der Investoren vor der Abstimmung über das Austrittsabkommen („Brexit“-Vertrag) mit der Europäischen Union im britischen Unterhaus („House of Commons“) Anfang der Woche bezeichnen. Doch nachdem die von Regierungschefin Theresa May ausgehandelte Vereinbarung keine Mehrheit bekommen hat, ist die weitere Entwicklung ungewiss. Das reicht von einer Verschiebung des auf den 29. März festgelegten Austrittsdatums um mehrere Monate und somit eine Verlängerung der Verhandlungsperiode bis hin zu einer Rücknahme des Austrittsantrages nach Artikel 50 des EU-Vertrages. Ersteres bedarf einer einstimmigen Zustimmung des Europäischen Rates, der bereits signalisiert hat, dass er zu einem Aufschub bereit wäre, wenn das Vereinigte Königreich darum bittet. Letzteres kann nach einem EuGH-Urteil vom Dezember einseitig von britischer Seite erfolgen. Gewiss scheint nur, dass die Regierung einen Alternativplan vorlegen muss. Zunehmend unsicherer dürfte hingegen die Wachstumsdynamik in Großbritannien werden, insbesondere sollte sich ein ungeregelter Brexit abzeichnen.
Zwischen Hoffen und Bangen bewegten sich auch die Kapitalmärkte während der letzten Woche. Neben den Brexit-bezogenen Unsicherheiten belasteten auch die schwächeren Handelsdaten aus China die Risikofreude der Anleger. Der Zollstreit mit den USA, die geringere globale Nachfrage nach chinesischen Waren und das moderatere globale Wirtschafts-wachstum haben den chinesischen Außenhandel am Jahresende stark belastet. Die chinesische Konjunktur scheint sich stärker abzukühlen als zunächst gedacht: So fiel das Importwachstum auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren. Die Regierung stemmt sich zunehmend gegen die wirtschaftliche Abkühlung. Nicht nur durch die kürzlich beschlossene Senkung der Mindestreserveanforderungen für Banken – hier machen sich die getroffenen Maßnahmen allmählich in einer leicht anziehenden Kreditvergabe bemerkbar –, sondern auch durch größere Steuersenkungen im Laufe des Jahres, um den Binnenmarkt anzukurbeln.
In Summe haben die spätzyklischen Warnsignale in der Weltwirtschaft weiter zugenommen. Der makro-ökonomische Datenkranz hat sich in den vergange-nen Wochen auf breiter regionaler Front eingetrübt. Obwohl die globale Konjunktur weiter um ihr Poten-tial wächst, hat sie ihren Höhepunkt bereits deutlich überschritten. Positive Produktionslücken und engere Arbeitsmärkte in vielen Ländern sollten zu einem weiteren graduellen Anstieg der Kerninflation führen, wenngleich der starke Ölpreisverfall mit temporär schwächeren Gesamtinflationszahlen einhergeht. Die Normalisierung der Geldpolitik dürfte anhalten, auch wenn die Notenbanken ihre Zinspolitik zunehmend stärker von der Datenlage abhängig machen. Jüngste Äußerungen von US-Notenbankern lassen auf eine Verlangsamung des US-Zinserhöhungszyklus schlie-ßen, denn im Zuge des nachlassenden zyklischen Momentums, der Vielzahl (geo-)politischer Risiken und einer gestiegenen mittelfristigen Rezessionswahr-scheinlichkeit haben die Abwärtsrisiken zugenommen.
Die Woche Voraus
In den USA stehen in der kommenden Kalender-woche neben der laufenden Q4-Berichtssaison folgende Konjunkturindikatoren im Vordergrund:
- Die Frühindikatoren der regionalen US-Notenbanken Richmond (Mi) und Kansas City (Do) bzw. der Markit Einkaufsmanagerindex (Do) dürften ein gemischtes Bild des verarbeitenden Gewerbes in den USA widerspiegeln – zwar im Einklang mit einer expandierenden Wirtschaft, doch mit nachlassendem Momentum. Der Stillstand im Budgetstreit und damit der teilweise Stillstand der US-Regierungsgeschäfte hält weiter an und könnte erste Bremsspuren hinterlassen.
- Die Auftragseingänge für langlebige Güter (Fr) runden den Datenkranz ab. Sie dienen als guter Frühindikator für die industrielle Nachfrage und könnten entsprechend mit dem zuletzt enttäuschendem ISM-Einkaufsmanagerindex erste Bremsspuren in der Auftragslage US-amerikanischer Unternehmen hinterlassen.
In Europa steht neben den vorläufigen Einkaufsma-nagerindizes (Do) insbesondere die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (Do) im Fokus der Anleger. Wie auch schon im Dezember dürfte sie bezüglich der Zinspolitik an ihrer Aussage festge-halten, bis „über den Sommer“ die Leitzinsen unver-ändert zu belassen. Zwar sehen die Währungshüter die wirtschaftlichen Risiken als „weitgehend ausge-glichen“ an, jedoch haben die Gefahren für eine schwächere Konjunkturentwicklung zuletzt zugenom-men. Länderspezifisch dürfte der ifo-Geschäftsklima-index für Deutschland Beachtung finden, während sich die anhaltende „Brexit“-Unsicherheit im Vereinig-ten Königreich mittel-bis langfristig auch auf den hiesigen Arbeitsmarkt (Di) auswirkt. In Asien richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Aktivitätsdaten für Dezember bzw. das Q4-Wirt-schaftswachstum aus dem Reich der Mitte – trotz leicht rückläufiger Prognosen dürfte China 2018 sein Wachstumsziel von rund 6,5% erreicht haben. Unge-achtet der positiven Dynamik der Verbraucherpreise (Fr) ist es noch zu früh, um von einer nachhaltigen Verbesserung der Teuerungsrate in Japan zu spre-chen. Der Ausblick der Kerninflation bleibt verhalten. So dürfte die Bank of Japan ihre extrem expansive Geldpolitik beibehalten (Mi), insbesondere um die Inflationserwartungen im Vorfeld der anstehenden Mehrwertsteuererhöhung (Okt.) aufrechtzuerhalten.
Active is:
Das Gefühlsbad zwischen Hoffen und Bangen dürfte die Kapitalmärkte auch in den kommenden Wochen weiterhin fest im Griff halten. Hoffen auf eine Lösung des Handelskonflikts zwischen den USA und China bzw. Bangen mit Blick auf den Brexit – u.a. stiegen die Kreditausfallversicherungen Großbritanniens auf den höchsten Stand seit 2016. Dazu passt, dass der Anteil neutraler Marktteilnehmer gemäß einer Umfrage der American Association of Individual Investors zuletzt gestiegen ist und die Cash-Quote auf den höchsten Stand seit 2013 erhöht wurde. Aber die Historie zeigt: Ohne Mut zum Risiko keine Risikoprämie, also keine Mehrrendite gegenüber der risikolosen Anlageform.
Zuversicht für die kommenden Wochen wünscht Ihnen,
Stefan Scheurer
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