Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 17.05.2019

„Es geht nicht nur um den (Welt)handel“
Der Handelskonflikt geht in die nächste Runde. Stichtag ist der 24.Juni, wonach die Erhebung zusätzlicher Abgaben von 25% auf weitere Waren im Wert von rund 300 Mrd. USD in Erwägung gezogen wird – und damit auf alle chinesischen Importe. 2018 wurden die Zölle in etwa 3 Wochen danach eingeführt, so könnte ein mögliches Treffen der beiden Präsidenten im Zuge des G-20 Gipfels in Osaka am 28-29 Juni seinen Schatten vorauswerfen.

Die wirtschaftliche Belastung, der sich die chinesische Wirtschaft im Zuge der Implementierung der erhöhten Zölle ausgesetzt sieht, ist derzeit schwer abzuschätzen. Verschiedene Schätzungen jedoch legen nahe, dass die zuletzt getroffenen Maßnahmen (25% auf Im-portwaren i. H. v. 200 Mrd. USD) das Wachstum in den folgenden 12 Monaten um bis zu 0,5 Prozentpunkte belasten könnten. Um das Wachstumsziel für 2019 nicht aus den Augen zu verlieren, wurden bereits die Mindestreserveanforderungen lokaler Banken zur Stimulierung der Kreditvergabe gelockert. Ferner dürften weitere geld- und fiskalpolitische Lockerungen zu erwarten sein, insbesondere nach den in dieser Woche bekanntgegebenen schwächeren Aktivitätsdaten, aber auch um die negativen Effekte der jüngsten US-Zollanhebungen zu kompensieren.

Mit Blick auf die Kapitalmärkte wirkte sich die verschärfte Tonlage im Handelskonflikt vor allem belastend auf den Aktienmarkt aus, während die Nachfrage nach den „sicheren Häfen“, namentlich u.a. US- oder deutsche Staatsanleihen bzw. dem japanischen Yen stieg. Der Goldpreis reagierte bislang nicht allzu stark auf die Zuspitzung im Handelskonflikt, obwohl die Risikoaversion an den Kapitalmärkten z.T. deutlich angestiegen ist.

Doch es geht nicht nur um den (Welt)handel. Die globale konjunkturelle Entwicklung scheint zuletzt etwas in den Hintergrund geraten zu sein, obwohl die Stabilisierungs-anzeichen innerhalb der Weltwirtschaft in den letzten Wochen zugenommen haben. Nach einer langen Schwächephase verbesserten sich die globalen Konjunkturindikatoren im April zum ersten Mal seit 11 Monaten – interessanterweise dank besserer Daten aus den USA und China.

Die Woche Voraus
Aus den USA kommen einige aufschlussreiche Indikatoren. Frühindikatoren wie der Chicago Aktivitätsindex (Mo) oder der Kansas City Fed Index für das verarbeitende Gewerbe (Do) dürften ein US-Konjunkturbild einer leichten bis moderaten Wachstumsbelebung fortschreiben. Das Protokoll der US-Notenbanksitzung vom April könnte interessante Ein-blicke der US-Zinspolitik vor dem Hintergrund der konjunkturellen und finanziellen Situation liefern, während die Auftragseingänge für langlebige Güter (Fr) den Datenkranz aus den USA abrunden. Der Konsensus geht von einer rückläufigen Nachfrage aus, während sich die positive Grundtendenz bei den Auftragseingängen ohne den schwankungsanfälligen Transportsektor fortsetzen dürfte.

Konjunkturell stehen in der Eurozone vor allem die Einkaufsmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes im Fokus der Anleger – für den gesamten Euroraum als auch länder-spezifisch (alle Do). Politisch steht für Samstag die US-Entscheidung über Zölle auf EU-Autos an. Speziell für Deutschland ist zudem der ifo-Konjunkturklimaindex von Interesse (Do), gilt er doch als zuverlässiger Indikator für die Entwicklung in den kommenden sechs Monaten. In Großbritannien richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Verbraucherpreise (Mi) sowie den Einzelhandelsumsätzen (Fr).

In Asien richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Konjunkturdaten insbesondere aus Japan. Die Maschinenbestellungen (Di) sind ein Schlüsselindikator für Investitionen und ein leitender Indikator von Produktion. Die Auftragslage war in den letzten Monaten verhalten, so dass sich auch die Industrieproduktion dem nicht entziehen dürfte. Diese weist wie-derum eine hohe Korrelation zum Wirtschaftswachstum auf und so dürfte es wenig überraschen, wenn das japanische Q1-Bruttoinlandsprodukt einen leichten Rücksetzer ausweisen dürfte (Mo). Die Handelsdaten (Di) sollten einen Aufschluss geben, inwieweit die japanische Wirtschaft vom Handelskonflikt betroffen ist, während die (Kern-)Verbraucherpreise (Fr) der Bank of Japan keinen Anlass geben dürften, ihre extrem akkommodierende Geldpolitik in naher Zukunft anzupassen.

Active is: Aktives Management
Der zuletzt beobachtete Optimismus unter den internationalen Investoren, gestützt von besseren Konjunkturindikatoren bzw. einer vermeintlichen Einigung im Handelskonflikt, scheint sich im laufenden Monat in eine mehr abwartende Haltung verkehrt zu haben. Nicht nur, dass verstärkt Put-Optionen gekauft wurden, sondern auch der Anteil der „neutralen“ Marktteilnehmer liegt mit 40% laut einer Umfrage der American Associaton of Individual Investors (AAII) auf dem höchsten Stand seit einem Jahr. Technisch gesehen befinden sich die Aktienmärkte der G3-Staaten auf einem zum Teil deutlich überverkauften Niveau, was Möglichkeiten für eine Gegenbewegung lässt. Nichtsdestotrotz, die eskalierende Rhetorik zwischen den USA und China sowie die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten sprechen für eine vorsichtige, wenngleich aktive Herangehensweise.

Es geht nicht nur um den (Welt)handel,
bleiben Sie aktiv, meint Ihr
Stefan Scheurer


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