„Eine Taube macht noch keinen Frühling“
Auf der Nordhalbkugel steht der offizielle Frühlingsbeginn kurz bevor. Und mit ihm scheint sich in der Notenbankwelt ein reges „taubenhaftes“ Gezwitscher auszubreiten, also Rufe nach einer sanfteren geldpolitischen Wende. Denn von der Konjunkturseite wehte zuletzt bekanntlich ein kühlerer Wind.
Aus Anlegerperspektive stellt sich angesichts der diametralen Entwicklung von Börsenkursen einerseits und kraftloserem Wirtschaftswachstum andererseits die Frage, ob sich die seit Jahresanfang zu beobachtende Erholung an den Finanzmärkten fortsetzen wird.
Doch zunächst zu den geldpolitischen Tauben: Nach insgesamt neun Zinsschritten seit dem Jahr 2015 lässt sich eine „geduldigere“ US-Notenbank mit einer weiteren Anhebung Zeit. Gleichzeitig erwägt sie, das Abschmelzen ihrer Bilanz künftig zu drosseln, und damit auch den Liquiditätsentzug für die Märkte zu verlangsamen.
Wie sich diese Woche unverkennbar bestätigte, gesellt sich auf dem alten Kontinent nun sichtbarer eine zweite Taube dazu. So verlautbarte Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt erstens, die Europäische Zentralbank (EZB) werde von September 2019 bis März 2021 eine neue Reihe von sog. vierteljährlichen gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften („TLTRO-III“) für den Bankensektor auflegen, wenngleich mit weniger attraktiven Konditionen also zuvor (z.B. kürzere Laufzeit von zwei Jahren). Neben gedämpften Konjunkturperspektiven spielen auch regulatorische Gründe eine Rolle für die Liquiditätsspritzen. Zweitens passte die EZB früher als erwartet ihre Forward Guidance für die Leitzinsentwicklung an. Sollte bei den Konjunkturdaten im Euroraum keine nachhaltige Wende erfolgen, wäre mit einer Zinserhöhung – der ersten seit Juli 2008 – wohl erst im Jahr 2020 zu rechnen.
Ob jedoch eine Taube (oder mehrere) mittelfristig ausreichen, um eine anhaltend aufgehellte Stimmung an den Börsen zu erzeugen, scheint mit einem Fragezeichen behaftet. Zumindest solange sich kein Frühlingserwachen bei den Konjunkturindikatoren durchsetzt. Für letzteres wäre unter anderem konstruktiveres handelspolitisches Gezwitscher – ob per Twitter oder auf konventionellerem Weg – eine wichtige Voraussetzung.
Zuletzt hat sich das Wachstum der Weltwirtschaft auf eine Rate bis leicht unter Potenzial abgekühlt. Nachlassende Wachstumsraten sind keine ungewöhnliche Erscheinung in einem spätzyklischen Umfeld. Doch darüber hinaus hat der Handelskonflikt zwischen den USA und China Bremsspuren hinterlassen. Unser globaler Macro Breadth Index (siehe auch unsere Grafik der Woche) verzeichnete mit der erneuten Abschwächung der Konjunkturdaten im Februar seinen zwölften Rückgang innerhalb der letzten dreizehn Monate.
Die positive Nachricht: Nach einer solch langen Schwächephase hat die Wahrscheinlichkeit einer zumindest kurzfristigen Erholung zugenommen. Ganz in diesem Sinne deutete der am Dienstag veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für den Euroraum darauf hin, dass die Konjunktur wieder leicht an Dynamik gewonnen hat.
Bemerkenswert ist dabei – und dieses Phänomen lässt sich auch in den USA, Japan und Großbritannien beobachten – dass die Entwicklung zwischen Industrie und Servicesektor weiter auseinanderzudriften scheint. Bleibt also die Hoffnung auf eine belastbare Einigung im Handelsstreit – ein Treiber für die gedrosselte Nachfrage nach Industrieerzeugnissen – und klarere Sicht im Brexit-Nebel.
Die Woche voraus
Zu Wochenbeginn richtet sich das Augenmerk der Anleger gespannt auf das britische Parlament, wo am Dienstag erneut über das von Premier-ministerin Theresa May ausgehandelte Brexit-Abkommen abstimmen wird. Scheitert Mrs. May, könnten weitere Abstimmungen folgen, für oder gegen einen „ungeordneten“ Brexit (Mi) sowie eine Verlängerung des Verhandlungsmarathons (Do). Die Wahrscheinlichkeit für einen ungeordneten Brexit hat sich nach den Einlassungen aus Brüssel und vorangegangenen Abstimmungen merklich verringert.
Eine Reihe von Frühindikatoren geben Hinweise auf die Wachstumsperspektiven im Lenz, darunter der Empire State Index und das Uni Michigan Verbrauchervertrauen (Fr) als Signalgeber für die US-Wirtschaft sowie die Industrieproduktion und der Einzelhandelsumsatz in China, wo die Regierung unlängst einen Realitätscheck vornahm und das Wachstumsziel für dieses Jahr von 6,5% auf 6,0-6,5% senkte. Eine temporäre Verbesserung der Makrodaten wäre für sich genommen zwar nicht ausreichend, um unser Szenario einer spätzyklischen Konjunkturverlangsamung in Frage zu stellen. Sie würde aber zumindest den kurzfristigen Abwärtsdruck auf die Weltwirtschaft mindern.
Active is:
Alles in allem halten wir an unseren Kernthesen fest: Politische Risiken lassen die Märkte nicht los und sorgen unverändert für eine höhere Volatilität. Die Weltkonjunktur kühlt sich ab, rutscht jedoch nicht in eine Rezession. Die großen Notenbanken agieren zögerlicher, kehren der Normalisierung ihrer Geldpolitik aber nicht gänzlich den Rücken.
Wir erwarten nach wie vor ein moderateres Marktrenditepotenzial („Beta“) als in der letzten Dekade, in Kombination mit höheren Marktschwankungen. In diesem sich abzeichnenden spätzyklischen Umfeld gewinnt für Investoren unseres Erachtens eine aktive Vermögensallokation über die Anlageklassen hinweg sowie eine aktive Auswahl von Wertpapieren zunehmend an Bedeutung.
Ob Frühling oder nicht – aktives Management scheint Hochkonjunktur zu haben, meint Ihre
Ann-Katrin Petersen
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