Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 08.02.2019

„Zu schön um wahr zu sein?“
Die jüngsten Daten zum US-Arbeitsmarkt (v.a. die Zahl der neugeschaffenen Stellen) bzw. der ISM-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe gaben den Optimisten neue Nahrung. Beide Datenpunkte fielen deutlich besser aus als erwartet und das vor dem Hintergrund des längsten Regierungsstillstand in der US-Geschichte. Apropos, der mit dem Haushaltsstreit verbundene Stillstand scheint laut dem Congressional Budget Office weit weniger Auswirkung auf die US-Wirtschaft zu haben als ursprünglich gedacht – das reale BIP dürfte 2019 voraussichtlich nur um 0.02% weniger wachsen als zunächst angenommen. Zudem kommen laut US-Präsident Trump die Handelsgespräche mit China „sehr gut voran“, während die Gewinnentwicklung der US-Unternehmen im Zuge der Q4-Berichtssaison sich besser entwickelt als vor dem Hintergrund eines sich nachlassenden Wachstumsmomentums bzw. negativen Einfluss des schwelenden Handelskonflikts anzunehmen war – über 70% der Firmen konnten die Analystenschätzungen übertreffen (Stand: 4.Feb).

Ist die konjunkturelle Entwicklung zumindest in den USA derzeit zu gut, um wahr zu sein? Oder sind von Seiten der Investoren bereits mögliche Enttäuschungen – konjunkturell oder unternehmens-spezifisch – in den Kursen eingepreist? Der Risikoappetit scheint zumindest zurückzukommen: die Risikoprämien bei Unternehmensanleihen in den USA und Europa engten sich weiter ein, die globalen Aktienmärkte konnten die Schwäche aus dem Dezember nahezu wieder wettmachen, während die Nachfrage nach Staatsanleihen aus den Schwellenländern gemäß dem Datenanbieter EPFR (Emerging Portfolio Fund Research, Inc.) in den letzten Wochen deutlich anstieg (etwa USD 9 Mrd. seit Anfang des Jahres, siehe Grafik der Woche). Für Letztere gab die Zinsentscheidung in Australien schon einmal einen Vorgeschmack darauf, wie andere Zentralbanken der Schwellenländer auf den Kursschwenk der Fed reagieren werden (neben diversen osteuropäischen Zentralbanken entschieden auch die Zentralbanken in Brasilien, Indien, Mexiko und Russland über die Ausrichtung ihrer Geldpolitik).

Allerdings sollte man Vorsicht walten lassen:

  • Die globalen Konjunkturdaten verzeichneten im Januar den stärksten Rückgang seit 8 Jahren und haben sich in 11 der letzten 12 Monate ver-schlechtert. Obwohl die Weltwirtschaft aktuell weiterhin nahe ihrer Potenzialrate wächst, sind die spätzyklischen Warnsignale sichtbarer geworden.
  • Am 15.Februar könnte der „Shutdown“ in den USA wieder einsetzen, sollten sich Republikaner und Demokraten nicht über den Haushalt einigen.
  • Am 17.Februar werden voraussichtlich die USA ihre Untersuchung bzgl. Importzölle auf Autos aus der Europäische Union veröffentlichen.
  • Der Handelskonflikt der USA mit China mag vielleicht mit einem Kompromiss vorerst ad acta gelegt werden (Stichtag 1.März), doch die Importzölle von 10% auf Güter im Wert von 200 Mrd. US-Dollar könnten vorerst bestehen bleiben.
  • Die Unsicherheit vor einem „No-Brexit-Deal“ (Stichtag 29.März) drückt auf die Stimmung des verarbeitenden Gewerbes in Großbritannien; der Wert der Unterkomponente für die Vorratshaltung stieg derweil auf den höchsten Wert seit der Erhebung des Index.

Die Woche Voraus
In den USA stehen folgende Konjunkturindikatoren im Vordergrund, wenngleich es noch bei einer Vielzahl von Indikatoren zu Verzögerungen im Zuge des „Shutdowns“ kommen kann:

  • Teils bedingt durch den Ölpreisrückgang, sollte der Preisauftrieb bei den Verbraucherpreisen (Mi) leicht nachgeben. Hingegen könnte sich die Lohninflation allmählich in der Kernrate der Verbraucherpreise niederschlagen (Mi). In dem Kontext sind auch die Einzelhandelsumsätze und das vorläufige Verbrauchervertrauen der Universität Michigan von Interesse (beide Fr).
  • Der Empire State Manufacturing Index (Fr) – der die Stimmung in der Industrie im US-Bundesstaat New York misst – könnte wie zuletzt der ISM-Einkaufsmanagerindex eine bessere Stimmungslage andeuten, untermauert durch bessere Zahlen zur Industrieproduktion (Fr).

In Europa liegt der Fokus neben der Industrie-produktion (Mi) vor allem auf den vorläufigen Zahlen zur Q4-Wirtschaftsentwicklung 2018, nicht nur in Europa, sondern auch für Deutschland (Do). Die anhaltende „Brexit“-Unsicherheit könnte sich im Vereinigten Königreich u.a. in der Industrieproduktion (Mo), den Immobilien – bzw. Verbraucherpreisen (Mi), den Einzelhandelsumsätzen (Fr) oder gar im vor-läufigen Q4-Wirtschaftswachstum (Mo) nieder-schlagen. Nach dem Neujahrsfest in Asien, richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Handelsdaten (Do) bzw. die Verbraucherpreise (Fr) aus China. Beachtung dürfte jedoch auch das annualisierte japanische Wirtschaftswachstum finden (Do).

Active is:
Hatten wir noch in unserer „Die Woche voraus“ zu Beginn diesen Jahres darauf hingewiesen, dass gemäß einer Umfrage der American Association of Individual Investors die Cash-Quote mit ~22% auf den höchsten Stand seit 2013 stieg, liegt jene Cash-Quote nunmehr bei 13% und damit auf dem niedrigsten Stand seit einem Jahr. Im Zuge dessen wechselten auch die Bären das Lager, so dass sich der Anteil der Bullen zuletzt deutlich erhöhte, während die Volatilität an den Aktienmärkten abnahm. Ob dies ein Zeichen des Vertrauens in die Märkte oder ein Indiz für Nachlässigkeit ist, lässt sich auf den ersten Blick schwer beantworten. Jedoch technisch gesehen haben wir laut den Relative-Stärke-Indizes in einigen Regionen bereits wieder leicht überkaufte Niveaus erreicht. Auch der Optionsmarkt deutet auf eine einseitige Positionierung hin (Call-Optionen).

Manches ist vielleicht doch zu gut um wahr zu sein, meint Ihr,
Stefan Scheurer
 


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