Wendepunkte?
Die Handelsspannungen zwischen China und den USA waren die größte Unsicherheitsquelle für das globale Wirtschaftswachstum der letzten zwei Jahre. Doch es zeichnet sich eine – nach langwierigen Verhandlungen beider Seiten – vorläufige Vereinbarung in Richtung eines ersten Handelsabkommens ab. Allerdings bleiben dabei die großen strukturellen Fragen im Handelsstreit nach wie vor ungeklärt. Diese mögliche Übereinkunft könnte den ersten Wendepunkt für einen Ausweg aus der Sackgasse bedeuten. Eine Sackgasse, die sich im zeitlichen Verlauf zunehmend mehr im Unternehmer- und Verbrauchervertrauen bzw. im Investitionsaufwand der Unternehmen niedergeschlagen hat – u. a. fiel die globale Unternehmensstimmung auf das niedrigste Niveau seit Anfang 2016.
Ein weiterer Wendepunkt könnte auch die zuletzt deutliche Annäherung in den seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der Europäischen Union (EU) um den Brexit sein. Zwar scheint eine kurzfristig Lösung nicht in Sicht, und so dürfte die politische Unsicherheit an den Börsen noch eine Weile anhalten. Doch mit der Abstimmung im Unterhaus, den Gesetzgebungsprozess in die nächste Phase treten zu lassen – auch wenn die Parlamentarier den Regierungsplan über den Umsetzungszeitplan ablehnten –, erscheint ein geregelter EU-Austritt Großbritanniens nach einer erneuten Fristverlängerung durch die EU zu einem späteren Zeitpunkt eine realistische Option.
Aber jene politischen Unwägbarkeiten bleiben nicht ohne konjunkturelle Folgen. Laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) hat sich das Wachstum in 90 % aller Staaten gegenüber dem Vorjahr abgeschwächt. Es lag mit 2,9 % gegenüber Vorjahr im dritten Quartal 2019 auf dem niedrigsten Stand seit 2009. Studien der US-Notenbank Fed sowie des IWF gehen von einem negativen Einfluss des Handelskonflikts auf das globale Wirtschaftswachstum von 80 bis 110 Basispunkten aus. Das zeigt sich auch am schwäch-sten Wachstum Chinas seit Jahrzehnten, wenngleich die schwache Entwicklung des Außenhandels sowohl auf Gründe außerhalb als auch innerhalb Chinas zurückgehen dürfte. Und so rechnen wir vor dem Hintergrund anhaltender (geo-)politischer Risiken im zweiten Halbjahr 2019 mit einem Wachstum der Weltwirtschaft unter Potenzial. Dabei überwiegt weiterhin Skepsis, ob eine expansivere Geldpolitik – seit Anfang des Jahres haben mehr als 40 Notenbanken ihre Leitzinsen gesenkt – mit nur begrenzter fiskalischer Unterstützung ausreicht, um die zahlreichen ökonomischen und politischen Belastungsfaktoren im derzeitigen spätzyklischen Konjunkturumfeld auszugleichen.
Diese potenziellen Wendepunkte – die Teileinigung im Zollstreit sowie die Entwicklung in den EU-Austrittsverhandlungen – sorgten letztlich an den internationalen Kapitalmärkten für Wohlwollen. Während Aktienmärkte teilweise sogar fast neue Allzeithochs erreichten, kam es an den Anleihenmärkten zu Gewinnmitnahmen. Ob sich allerdings dieser implizierte Optimismus fortschreiben lässt, hängt auch vom Verlauf der laufenden Q3- Berichtssaison ab. Der Konsensus geht für den US-Aktienmarkt (S&P 500) von einem Gewinnrückgang von knapp 4 % aus – das lässt Raum für positive Überraschungen. Die vermehrt zurückhaltende Positionierung der Investoren sowie Nettomittelzuflüsse von insgesamt fast 900 Mrd. US-Dollar in weltweite Anleihen- und Geldmarktfonds seit Anfang des Jahres könnten für einen weiteren Wendepunkt sprechen – trotz eines Volumens von mehr als 13 Bio. US-Dollar umlaufender Anleihen mit negativer Rendite. Denn sollte sich die politische Unsicherheitsprämie in den kommenden Wochen weiter verringern, könnte dies zusammen mit einer international zunehmend akkommodierenden Geldpolitik Unterstützung für die globalen Aktienmärkte mit sich bringen.
Taktische Allokation Aktien & Anleihen
- Trotz einer weiter nachlassenden globalen Wachstumsdynamik und erhöhter mittelfristiger Abwärtsrisiken waren die jüngsten Wirtschaftsdaten nicht so schwach wie befürchtet.
- Die Teileinigung im Zollstreit sowie die Entwicklung in den EU-Austrittsverhandlungen könnten erste Wendepunkte darstellen, um die politische Unsicherheitsprämie in den kommenden Wochen weiter zu verringern.
- Jedoch bleiben die politischen Unwägbarkeiten nicht ohne konjunkturelle Folgen. Vor diesem Hintergrund ist im zweiten Halbjahr 2019 mit einem Wachstum der Weltwirtschaft unter Potenzial zu rechnen.
- Dabei überwiegt weiterhin Skepsis, ob eine expansivere Geldpolitik (mit nur begrenzter fiskalischer Unterstützung) ausreicht, um die zahlreichen ökonomischen und politischen Belastungs-faktoren im derzeitigen spätzyklischen Konjunkturumfeld auszugleichen.
- Die Geldpolitik sollte auch weiterhin stimulierend wirken, dürfte dabei aber zunehmend an ihre Grenzen stoßen. Mit erhöhten Markt-schwankungen, verursacht u. a. durch verbleibende politische Unwägbarkeiten, muss gerechnet werden.
Positive Wendepunkte wünscht Ihnen Ihr
Stefan Scheurer
Director, Global Capital Markets & Thematic Research
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