Aktienausblick weiter verhalten

Raiffeisen Capital Management "Märkte unter uns" September 2022

Eine Trendwende bei der Geldpolitik ist in naher Zukunft nicht zu erwarten. Diese Erkenntnis beendete die sommerliche Erholungsbewegung an den Aktienmärkten. Sie kann jedoch niemanden ernsthaft überraschen. Erstens bewegen sich die Inflationsraten weiterhin nahe der Höchststände. Zweitens haben Fed-Offizielle regelmäßig allzu optimistische Markterwartungen korrigiert. Drittens sind die Arbeitsmärkte als wichtiger Indikator für den Zustand der Wirtschaft nach wie vor robust. Und schließlich halten sich die Aktienmärkte trotz aller Widrigkeiten verhältnismäßig gut. Aus der Perspektive eines Währungshüters betrachtet, gibt es somit keine Veranlassung, vom Pfad einer geldpolitischen Straffung abzurücken. Für die EZB kommt hinzu, dass die Währung abstürzt, was zusätzliche Inflationsimpulse erzeugt. Daher wird hierzulande sogar über Zinsanhebungen im Dreivierteltakt nachgedacht, was vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen wäre.

Somit müssen sich die Märkte darauf einstellen, dass die Notenbanken nicht – wie in den letzten Jahren – beim ersten Stress zur Rettung ausrücken. Es wird in diesem Zyklus länger dauern, bis es seitens Geldpolitik zu einem Einlenken kommt. Gleichzeitig befinden sich viele Konjunktur-Frühindikatoren auf Talfahrt. Gemeinsam mit den hohen Energiekosten wird man sich auf eine deutliche Abkühlung der Weltwirtschaft einstellen müssen, die in manchen Bereichen zu einer Rezession führen wird. Ein Rückgang der Unternehmensgewinne ist damit nur eine Frage der Zeit. Auf nahe Sicht sprechen die Einflussfaktoren für Aktienmärkte eine eindeutige Sprache: eine defensive Ausrichtung ist angebracht. Die Untergewichtung in den Mischfonds wird daher im bisherigen Ausmaß beibehalten. Darüber hinaus wird die Gewichtung in Euro-Anleihen reduziert. Kurzlaufende US-Dollar-Anleihen und Rohstoffe werden zugekauft.

Marktumfeld Anleihenmärkte

Anleihemarkt: Sommer-Kurserholung schon wieder vorbei

Die Volatilität bei den Anleihen blieb auch zuletzt überdurchschnittlich hoch: Die Anleihemärkte holten im August den starken Renditerückgang vom Juli (und Ende Juni) großteils wieder auf: In den USA liegt die Anleiherendite zehnjähriger Staatsanleihen jetzt wieder bei rund 3,2 %, was in etwa dem Hoch vom letzten Zinsanhebungszyklus 2018 entspricht. In der Eurozone stieg die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen wieder auf rund 1,5 %. Grund für den neuerlichen starken Renditeanstieg waren vor allem die Notenbanken. Diese machten insbesondere in den USA und Europa deutlich, dass sie höhere Zinsen länger für notwendig erachten, als von den meisten Investoren erwartet. Entsprechend kamen fast alle Anleihesegmente im August auf eine negative Monatsperformance. Besonders drastisch war diese bei Staats- und Unternehmensanleihen der Eurozone und dem Vereinigten Königreich.

Marktumfeld Aktienmärkte

Aktienmarkt: Sommer-Rally = Bärenmarkt-Rally?

Auch am Aktienmarkt kehrte sich die scharfe Kurserholung des Vormonats im August wieder ins Gegenteil um: Die sommerliche Kursrally drehte ab Mitte August wieder steil nach unten. Einzelne besonders schwache Indizes, wie beispielsweise der deutsche DAX, testeten sogar ihre Jahrestiefs. Ähnlich wie am Anleihemarkt war auch bei den Aktien ein wichtiger Faktor der aggressivere Zinsausblick der wichtigsten Notenbanken – insofern ein Echo des ersten Halbjahrs, als stark steigende Zinsängste Aktien UND Anleihemärkte gleichzeitig fallen ließen. In Europa kamen noch erschwerend die explodierenden Gas- und Strompreise sowie entsprechend deutlich schwächere  Konjunkturvorlaufindikatoren dazu. Antizyklisch behaupten konnte sich dagegen einmal mehr China, Asien bzw. die Schwellenländer (EM) generell (auch Lateinamerika): Ein gutes Beispiel für die Sinnhaftigkeit regionaler Streuung, bei der man auch auf EM nicht vergisst!

Marktumfeld Rohstoffe und Währungen

EUR/USD: Parität jetzt unterschritten

Die bereits seit über einem Jahr laufende steile US-Dollar-Aufwertung setzte sich auch im August fort und brachte den Euro erstmals seit Herbst 2002 wieder (knapp) unter Parität.
Trotz des damit bereits sehr teuren US-Dollar eine nachvollziehbare Entwicklung, da die Energiekrise vor allem ein europäisches Problem ist, das die USA nicht direkt tangiert. Dementsprechend traut der Markt der US-Notenbank ein deutlich höheres Leitzinsniveau zu als der EZB. Noch schwächer als der Euro entwickelten sich Britisches Pfund und Japanischer Yen, weil hier die Leitzinsentwicklung noch weit mehr hinter der der USA zurückbleibt. Weiterhin hypothetisch war auch im August die Stärke des nach wie vor nicht frei konvertierbaren Rubel.
Rohstoffe: Die stark gestiegenen Leitzinserwartungen drückten im August auch den Goldpreis, während Industriemetalle in Summe kaum verändert notierten. Minimal war der Anstieg im Energiepreisindex: Hier dominiert der – im August kaum veränderte – Ölpreis, während der explodierende Gas- und Strompreis in Europa in diesem globalen Index kaum eine Rolle spielt.

Ausblick – Globale Wirtschaft

Rezession Eurozone: wie lange, wie tief?

Weiterhin fallende Konjunkturvorlaufindikatoren und der faktische Gas-Stopp durch Russland machen eine Rezession in der Eurozone im Winterhalbjahr immer wahrscheinlicher. Der IWF schätzt, dass sie aber deutlich milder ausfallen dürfte als der Produktionseinbruch während der Corona-Rezession 2020. Die Chancen stehen gut, dass sie bereits im Lauf von 2023 von einer starken Konjunkturerholung abgelöst wird. Denn die Gasversorgung sollte sich ab dem Frühjahr stark verbessern (weniger saisonale Nachfrage plus stark gesteigerte Flüssiggas-Versorgung) und auch die Realeinkommen sollten dann besser aussehen (höhere Löhne bei niedrigerer Inflation im Vergleich zu 2022). In den USA herrscht dagegen weiterhin die ungewöhnliche Situation, dass das BIP in den letzten beiden Quartalen bereits geschrumpft ist, sich die Wirtschaft aber in Summe deutlich fester präsentiert als in der Eurozone. Zwar tendieren auch in den USA die Vorlaufindikatoren (PMIs) nach unten, die Chance auf eine „weiche Landung“ am Ende der aktuellen Konjunkturverlangsamung ist dort aber deutlich höher. In China wird die Immobilienmarkt-bedingte Schwäche durch das Corona-Stop-and-Go überlagert: nach dem letzten Lockdown derzeit noch im kurzfristigen Konjunkturerholungsmodus, könnte schon bald der nächste Lockdown drohen.

Ausblick – Inflation und Notenbanken

Leitzinserwartungen springen neuerlich nach oben

Vor kurzem hatte der Markt noch darauf gesetzt, dass die jüngste Zinsanhebungswelle schon 2023 von Zinssenkungen abgelöst wird. Mit den scharfen Aussagen führen - der US- und EZB-NotenbankerInnen im August haben die Investoren diese Hoffnung aber weitgehend verloren: Im Spannungsfeld zwischen schwächerer Konjunkturentwicklung und hartnäckig hoher Inflation wollen sich die Notenbanken vor allem auf letztere konzentrieren. Sie sind bereit, auch bei sich bereits abschwächender Konjunktur die Zinsen weiter anzuheben und 2023 auf hohen Niveaus zu belassen. Entsprechend werden auch für die nächsten Zinssitzungen von EZB und Fed vergleichsweise hohe Zinssprünge erwartet – ein vorläufiges Zinshoch von rund 4 % in den USA und knapp über 2 % in der Eurozone. Die US-Inflationsrate dürfte zwar dank tieferem Ölpreis ihr Hoch bereits nachhaltig hinter sich haben – Lohn- und Inflationsdruck erscheinen der Fed aber immer noch als zu hoch. In der Eurozone dürfte die Inflation dagegen dank stark erhöhter Gas- und Strompreise heuer auch noch die 10 %-Marke knacken und erst 2023 rasant nach unten gehen.

Ausblick – Anleihenmärkte

Anleihemarkt: hohe Kursvolatilität

Anleihen stehen weiterhin im Spannungsfeld von Konjunkturabschwächung (positiv) und hohen Inflationsraten samt aggressiver Zinsanhebungen (negativ). Ergebnis: eine entsprechend hohe Kursvolatilität. Nach dem jüngsten Ölpreisrückgang sehen wir hier eine interessante Gelegenheit, nach einer zwischenzeitigen Pause Anleihen gegenüber Rohstoffen (in unserer Benchmark von Öl dominiert) wieder unterzugewichten. Innerhalb des Anleihemarktes gefallen uns nach wie vor Unternehmensanleihen am besten, hier bleiben wir deutlich übergewichtet. Und unser Fokus bleibt dort klar auf Emittenten besserer Bonität (IG), inklusive Finanzunternehmen, zulasten von High-Yield (= schwächeren) Emittenten. Denn letztere wären gerade im Fall einer Rezession deutlich negativer betroffen. Länderseitig behalten wir die Übergewichtung Staatsanleihen USA gegenüber Deutschland, und eine taktische Übergewichtung von Italien gegenüber Deutschland.

Ausblick – Aktienmärkte global

Anfang August ausgebaute Untergewichtung bleibt aufrecht

Die rasante Aktienmarkterholung hatten wir genutzt, um unsere kurzfristige (taktische) Aktien-Untergewichtung auf drei Schritte zu vergrößern. Inzwischen haben die Börsen bereits wieder nach unten gedreht. Wir halten an unserer taktischen Untergewichtung fest, da wir unverändert von einem weiteren Rückgang der wichtigsten Konjunkturvorlaufindikatoren und der zu optimistischen Gewinnerwartungen am Aktienmarkt ausgehen. Auch ein Ende der aggressiven Zinsanhebungspolitik ist noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Fed und EZB betonten zuletzt, trotz schwächerer Konjunktur das Tempo zu steigern und der Inflationsbekämpfung oberste Priorität zu geben. Zwar sind die Bewertungen vieler Aktienmärkte inzwischen wieder attraktiv; das ist aber vor allem ein längerfristiges (Kauf-)Argument. Bessere Konjunkturvorlaufindikatoren und Gewinnschätzungen als Vorbedingung für eine kurzfristige (taktische) Aktienübergewichtung sehen wir noch nicht erreicht. Eine weitere wesentliche Bedingung für Aktienübergewichtung wäre eine absehbare Abkehr der Straffung der Geldpolitik. Derzeit ist aber eher eine noch deutlichere Straffung zu befürchten, solange die Inflation deutlich überhöht, aber Konjunktur und vor allem Arbeitsmarkt noch relativ robust sind.

Ausblick – Aktienmärkte regional

Selektive taktische Über- und Untergewichtungen

Innerhalb der Aktienmärkte setzen wir kurzfristig auf Gegenbewegungen nach den jüngsten Trends: Wir reduzieren die Übergewichtung des nordamerikanischen Marktes und drehen dafür die Untergewichtung Europas auf ein leichtes Übergewicht. Wobei wir aber innerhalb Europas die Untergewichtung Deutschlands als eines der am meisten vom Gas-Stopp betroffenen Länder beibehalten. Die Emerging Markets (Schwellenländer) bleiben untergewichtet. Auf Branchenebene halten wir im September keine spezifischen Über- bzw. Untergewichtungen.

Strategische Asset Allocation

Aktien

Unser Aktienmodell hat im November letzten Jahres ein Kaufsignal für EUR-Aktien geliefert. Im Gegenzug haben wir unsere Position in US-Value-Aktien abgebaut. Die schwachen Kurse Ende Februar haben wir genutzt um bei japanischen und EUR-Aktien aufzustocken. In Summe haben wir dadurch die Aktienquote auf rund 27 % angehoben.

Staatsanleihen

Wir haben die starken Renditeanstieg bis Mitte Juni genutzt um unsere Zinsabsicherungen bei EUR-Unternehmensanleihen teilweise aufzulösen. Dennoch favorisieren wir aber nach wie vor Non-EUR Staatsanleihen und haben zuletzt bei australischen 10jährigen Laufzeiten zugekauft. In Summe bleiben wir aber bei einer deutlich unterdurchschnittlichen Positionierung.

Unternehmens- & EM-Anleihen

Im Mai sind wir eine erste Position bei italienischen Staatsanleihen eingegangen, die wir Mitte Juni (bei Renditeniveaus von rund 4,2 % im 10jährigen Laufzeitenbereich) aufgestockt haben. Die Risikoaufschläge bei EUR Unternehmensanleihen haben in der ersten Juliwoche Niveaus erreicht, die eine höhere Gewichtung rechtfertigen. Demgemäß haben wir hier auf eine überdurchschnittliche Position aufgestockt.

Reale Assets

Wir haben die starke Performance bei inflationssensitiven Assets (durationsgehedgte Inflationsschutzanleihen, zyklische Rohstoffe, inflationssensitive Aktien und Währungen) im Laufe des H1 2022 genutzt, um die Position weiter zu verringern. Dadurch wurde die Position in
diesem Thema auf eine unterdurchschnittliche reduziert.

Taktische Asset Allocation September

  • Wirtschaft: Frühindikatoren weiter schwach, Rezession wird wahrscheinlicher; Inflation weiter deutlich zu hoch, in Eurozone noch ansteigend; Notenbanken bekräftigen ihren klaren Zinsanhebungspfad
  • Unternehmen: Berichtssaison für Q3/22 im Verlauf besser als erwartet; Gewinnwachstumsimpulse insbesondere aus Energiesektor; Revisionen gehen global tendenziell weiter nach unten
  • Anlegerstimmung: Bärenmarktrally hat Risikoaversion kurzfristig deutlich abgebaut; Generelle Investorenstimmung bleibt jedoch angeschlagen; Es überwiegen defensive Positionierungen
  • Markttechnik: S&P hat an der Abwärtstrendlinie wieder nach unten gedreht; Fallende 200-Tageslinie konnte nicht überwunden werden; Technisches Bild bestätigt Fortsetzung des Bärenmarktes
  • Themen: Notenbanken: Schnellere und längere Zinsanhebungen; Geopolitik (Krieg in der Ukraine): mehr Inflation, weniger Wachstum; Drohende Gaskrise Europa; in China auch Covid
  • Positionierung: Aktien-Untergewichtung 3 Schritte: vs. Euro-Geldmarkt, vs. US-Geldmarkt und vs. kurzfristige US-Staatsanleihen (neu); Übergewichtung Rohstoffe vs. Anleihen (neu)


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