2024: das jahr, in dem Anleger die attraktivität von Schwellenländeranleihen nicht mehr ignorieren können

MainFirst Artikel vom 13.12.2023

Nach einem für die Anleihenmärkte sehr schwierigen Jahr 2022 und einer Achterbahnfahrt im Jahr 2023 gehen wir davon aus, dass wir das Schlimmste hinter uns haben und dass 2024 ein sehr gutes Jahr für Anleihen insgesamt und insbesondere für Unternehmensanleihen der Schwellenländer sein wird. Angesichts der positiven Inflationsentwicklungen und der anhaltenden Konjunkturabschwächung werden die Zentralbanken Wachstumsrisiken mehr Aufmerksamkeit schenken und die Latte für potenzielle Zinsanhebungen wesentlich höher legen. Aktuelle Renditen liegen auf historisch hohen Niveaus und stehen auch im Vergleich zu Aktienbewertungen gut da. Daher dürften festverzinsliche Anlagen in einem Spätzyklusszenario die erste Wahl unter den Anlageklassen sein. Innerhalb des Festzinsuniversums stehen Unternehmensanleihen der Schwellenländer aus unserer Sicht im Jahr 2024 unter einem sehr guten Stern. Nach den Mittelabflüssen der letzten zwei Jahre gehen wir davon aus, dass sich die Einstellung gegenüber dieser Anlageklasse ändern wird. Der Spitzenwert der Zinssätze in den Industrieländern wird sich in einer weiteren Schwäche des USD niederschlagen, die traditionell mit einer positiven Einschätzung von Schwellenländeranlagen korreliert. Unternehmensanleihen der Schwellenländer bieten im Vergleich zu denen der Industrieländer einen Renditeanstieg bei deutlich besseren Fundamentaldaten (geringere Verschuldung der Unternehmen als in den USA und der Eurozone). Einzelne Problematiken, wie die Krise des chinesischen Immobilienmarktes und der Konflikt in der Ukraine, sind noch ungelöst, aber das Universum insgesamt hat eine zweijährige Bereinigung hinter sich und die meisten Titel sind bereits ausgefallen oder haben ihre Talsohle erreicht. Unternehmensanleihen der Schwellenländer kommt auch zugute, dass dort zahlreiche Rohstoffe gewonnen werden. Rohstoffpreise erhalten sowohl kurz- als auch langfristig Auftrieb, und der weltweite Rohstoffbedarf wird anhalten, was für die Bewertungen von Schwellenländeranlagen förderlich ist.

Das Jahr 2023 war von Disinflation geprägt. Diese war jedoch schwächer als viele – so auch die Zentralbanken – erwartet hatten, was zu äußerst dürftigen Prognosen zur künftigen Geldpolitik und sehr hoher Zinsvolatilität führte. Trotzdem konnten die bedeutenden Kreditmärkte das Jahr im positiven Bereich beenden, wobei engere Spreads und höheres Carry die negativen Auswirkungen steigender Zinsen ausglichen. Die jetzige Lage unterscheidet sich von der zu Beginn des Jahres 2023. Im Folgenden erläutern wir die entscheidenden Faktoren für festverzinsliche Anlagen im Jahr 2024.
Die Renditen von Staatsanleihen liegen auf historisch hohen Niveaus. Am kurzen Ende rentieren 2-jährige US-Staatsanleihen zurzeit mit 4,94 %, nachdem sie seit Januar um mehr als 50 Bp. gestiegen sind – ein Niveau, das seit 2007 nicht mehr erreicht wurde. Dies erscheint attraktiv, wenn man die kurzfristigen Inflationserwartungen und die Tatsache berücksichtigt, dass keine Zinssenkung vor Ende des zweiten Quartals kommenden Jahres eingepreist ist. Am langen Ende verzeichnen 10-jährige US-Staatsanleihen eine Rendite von 4,44 %, nachdem sie im bisherigen Jahresverlauf um fast 60 Bp. auf ihr höchstes Niveau seit 2007 gestiegen sind.
Die Zentralbanken stehen kurz vor dem Ende des Straffungszyklus. Nach der kräftigen geldpolitischen Straffung der vergangenen zwei Jahre sind die Zentralbanken seit dem dritten Quartal zunehmend besorgt über die negativen Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf das Wirtschaftswachstum. Fed-Chef Jerome Powell hat klargemacht, dass das Risiko einer übermäßigen Straffung und das Risiko, nicht genug für die Eindämmung der Inflation zu tun, eine vergleichbare Größenordnung erreicht haben. Die EZB und die BoE sind bereits mit einer deutlicheren Abschwächung des Wachstums konfrontiert und führten dies als Grund für ihre jüngsten Pausen bei den Zinsanhebungen an. Ansonsten haben Verbesserungen bei der realen Inflation und bei den Inflationserwartungen in einer Reihe von Schwellenländern (vor allem in Lateinamerika) ihren Zentralbanken bereits ermöglicht, die Zinsen zu senken.
Die Inflation ist zurückgegangen, und das Risiko für das Wachstum ist gestiegen. Wir glauben, dass wir uns in einem spätzyklischen Szenario befinden, das Gutes für festverzinsliche Produkte verheißt. Die Inflation ist in den großen Volkswirtschaften in diesem Jahr zurückgegangen, wobei es seit dem 2. Quartal positive Entwicklungen in der Kernkomponente gab. Wenngleich die jüngsten Inflationszahlen immer noch über den von der Fed, der EZB und der BoE gesteckten Zielen liegen, macht die spürbare Abschwächung des Wirtschaftswachstums weitere Zinsanhebungen im Jahr 2024 unwahrscheinlich. Wenngleich die Abschwächung in Europa und Großbritannien deutlicher erkennbar ist als in den USA, wird die markante Straffung der finanziellen Bedingungen früher oder später auch KMU und Verbraucher beeinträchtigen, zwei Sektoren, die sich bisher robust gezeigt haben. Die Kosten für kurzfristige Kredite an KMU sind stark gestiegen und es kommt vermehrt zu Zahlungsausfällen bei Kreditkarten und Autokrediten, was eine zunehmende Anspannung in einigen Bereichen des Konsums veranschaulicht. All das sind Hinweise auf eine spätzyklische Wirtschaft, in der die Latte für Zinsanhebungen erheblich höher liegt und sie somit unwahrscheinlich macht. Die Märkte haben daher begonnen, eine Senkung als nächsten Schritt einzupreisen.
Traditionell gehen hohe Renditen von festverzinslichen Produkten mit teuren Aktienbewertungen einher. Während wir einräumen, dass nicht billige Bewertungen nicht zwangsläufig zu eine Korrektur führen und eine Abschwächung der Gewinne auch für Unternehmensanleihen nicht gut ist, halten wir festverzinsliche Anlagen 2024 für sicherer, da sie von ihrer Durationskomponente profitieren können und von der Preisanpassung an höhere Renditen, die in den vergangenen zwei Jahren stattgefunden hat.
Im festverzinslichen Universum begeistern uns Unternehmensanleihen aus Schwellenländern. Dies hat folgende Gründe:
Attraktive Bewertungen – sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht. Trotz des guten Jahres für Risikoanlagen und der Rally im November stehen die Bewertungen nicht unter Druck, da die Kreditspreads in den Schwellenländern etwa im 65. historischen Perzentil bei 357 Bp. liegen. Bei Spreads auf etwa diesem Niveau belief sich die erwartete Rendite über 12 Monate traditionell auf knapp über 6 %. Wir gehen jedoch davon aus, dass sie aufgrund der außergewöhnlichen Neubepreisung der Renditen über die vergangenen zwei Jahre höher liegen wird. Zudem bieten Unternehmensanleihen aus Schwellenländern höhere Renditen als die aus den USA und der Eurozone. Die relativen Bewertungen sind insbesondere gegenüber US-Unternehmensanleihen besonders attraktiv, wo die Spread-Differenz von IG- und HY-Papieren etwa im 88. bzw. im 95. historischen Perzentil liegt.
Unternehmen der Schwellenländer werden von guten Fundamentaldaten gestützt. Attraktive Bewertungen gehen mit guten Fundamentaldaten einher. Die Ausweitung der Spreads gegenüber Unternehmensanleihen der Industrieländer ist nicht auf eine Verschlechterung der Fundamentaldaten zurückzuführen, da Unternehmen der Schwellenländer weniger stark verschuldet sind als ihre Pendants in den USA und Europa. Unternehmen der Schwellenländer haben in den Jahren vor der Pandemie ihre Schulden abgebaut und von der kräftigen Erholung von Rohstoffen profitiert. Die aktuelle Nettoverschuldung (Nettoschulden/EBITDA) liegt im IG-Segment der Schwellenländer beim 1-fachen (gegenüber dem 2,8-fachen bei Unternehmen der USA und der Eurozone). Im HY-Segment der Schwellenländer liegt die Nettoverschuldung beim 2,1-fachen und damit deutlich unter dem 3,5-fachen und dem 4,5-fachen bei Unternehmen in den USA bzw. der Eurozone. Die langfristigen Ausfallraten von HY-Papieren der Schwellenländer sind vergleichbar mit denen der USA und liegen bei etwa 5,4 %, auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts. Wenngleich die jüngsten Ausfallraten und die Anlegerstimmung von Sondersituationen wie der Krise des chinesischen Immobiliensektors oder dem Ukraine-Konflikt beeinträchtigt werden, hat das Universum bereits jahrelange Korrekturen hinter sich und zahlreiche Titel sind bereits ausgefallen, sodass weitere negative Auswirkungen auf Anleger begrenzt sind. Wir glauben, dass Unternehmen der Schwellenländer gut aufgestellt sind, um den Abschwung zu meistern, da viele von ihnen sehr solide Bilanzen haben.
Den Volkswirtschaften der Schwellenländer kommen niedrigere Verschuldungsniveaus und jüngere Bevölkerungen zugute. In vielen Industrieländern sind die Wachstumsaussichten trübe, insbesondere nach dem starken Anstieg der Schulden nach der Pandemie. Länder wie Japan und Deutschland verzeichneten nach der Pandemie zweistellige Zuwächse beim Verhältnis von Schulden zum BIP. Währenddessen stieg das Verschuldungsniveau vieler Schwellenländer, insbesondere in Lateinamerika und im Nahen Osten, nur moderat (im Wesentlichen aufgrund ihrer Stellung als Netto-Rohstofflieferanten). Länder wie Brasilien und Mexiko verzeichneten kaum eine Veränderung ihres Verschuldungsniveaus im Vergleich zu vor der Pandemie. Langfristige Faktoren wie eine jüngere und wachsende Bevölkerung begünstigen Schwellenländer gegenüber Industrieländern, in denen die Bevölkerung schrumpft.
Das Engagement in Rohstoffen ist sowohl kurz- als auch langfristig ein bedeutender Faktor, da die Welt mehr Energie, Metalle und Lebensmittel verbraucht. Ein großer Teil dieser Rohstoffe wird in Schwellenländern produziert. Wir haben in früheren Berichten immer wieder darauf hingewiesen, dass sowohl der Öl- und Gassektor als auch der Sektor Metalle und Bergbau über viele Jahre von zu geringen Investitionen geprägt waren. Wenngleich die Investitionsausgaben 2022/2023 wieder angezogen haben, liegen sie immer noch deutlich unter dem im Jahr 2013 erreichten Spitzenwert. Gleichzeitig liegen die Lagerbestände sowohl von Öl als auch von Metallen auf historischen Tiefständen. Das knappe Angebot an Metallen trifft auf eine zunehmende Nachfrage im Zuge des grünen Wandels. Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sind weitere Argumente für eine zunehmende Nachfrage, insbesondere seitens aufsteigender Volkswirtschaften wie Indien, wo der Pro-Kopf-Verbrauch von Rohstoffen deutlich unter dem der Industrienationen liegt. Die Nachfrage nach Rohstoffen ist groß und wird weiter steigen. Die Volkswirtschaften der Schwellenländer werden am stärksten von diesem Trend profitieren, da sie die größten Produzenten sind. Bei einem Rohstoffboom schneiden Schwellenländer deutlich besser ab als Industrieländer.
Niedrigere Zinsen werden die USD-Schwäche vorantreiben, die positiv mit der Einstellung gegenüber Schwellenländeranlagen und mit ihren Erträgen korreliert. Während viele Schwellenländer aufgrund der Entwicklung lokaler Kreditmärkte mittlerweile weniger anfällig für die Entwicklungen des USD sind, korreliert eine USD-Schwäche tendenziell mit einer guten Anlegerstimmung im Hinblick auf Schwellenländeranlagen und mit Mittelflüssen in diese Anlageklasse. Wenn die Zinsen im Einklang mit schwächeren Konjunkturaussichten fallen und die Erwartung von Zinssenkungen auf den Märkten steigt, verliert der USD an Stärke. Wir rechnen mit Mittelflüssen in die Anlageklasse, da durch die Abflüsse über die vergangenen zwei Jahre sehr attraktive Gelegenheiten im Universum der Schwellenländerunternehmen entstanden sind. Gleichzeitig erwarten wir im kommenden Jahr nur ein begrenztes Angebot an neuen Anleihen, was den technischen Hintergrund ebenfalls sehr attraktiv macht.

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