Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 28.03.2025
Als Mario Draghi am 26. Juli 2012 die berühmten Worte „whatever it takes“ sprach, konnte das als Anfang vom Ende der Euro-Schuldenkrise aufgefasst werden. Nun versucht ein deutscher Spitzenpolitiker, der vermutlich kommende Bundeskanzler Friedrich Merz, mit dem gleichen Ausspruch das Ende der deutschen bzw. europäischen Verteidigungsschwäche anzukündigen. Gemeint ist das in der letzten Woche durch die deutschen Parlamentskammern beschlossene, schuldenfinanzierte Paket zur Ertüchtigung von Verteidigung und Infrastruktur. Was ist aus Anlegersicht davon zu halten?
Ein Kern von „whatever it takes“ ist die theoretische Unbegrenztheit der eingesetzten Mittel, dies galt sowohl für die Anleihekäufe der EZB als auch jetzt für die Verteidigungsausgaben Deutschlands, darin inkludiert sind die Hilfen für die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine. Letztere sind zumindest nicht mehr durch Schuldenregeln formal begrenzt. Dazu kommt ein weiterer Schuldentopf für zusätzlich zu tätigende Infrastrukturinvestitionen von 500 Milliarden Euro. Unter der Annahme, dass in der nächsten Dekade auch etwa 500 Milliarden in die Verteidigung fließen werden, könnte sich der gesamte Stimulus über 10–12 Jahre auf 1 Billion Euro oder ca. 23 % des deutschen Bruttoinlandsproduktes belaufen – beeindruckende Zahlen.
Was bedeutet das für die zukünftige deutsche Verschuldungsquote und für das deutsche Wachstum? Für die Beantwortung dieser Frage sind weitere Annahmen zu treffen, und zwar vor allem für den fiskalischen Multiplikator, die zukünftige Zinsbelastung und die Inflation. Für den Fiskalmultiplikator gilt: Er dürfte positiv sein, aber nicht zwingend 1 erreichen. Schätzt man ihn über die Zeit eher vorsichtig auf 0,5 würde dies bedeuten, dass für jede Milliarde Ausgaben eine halbe Milliarde mehr Bruttoinlandsprodukt entsteht. Der Multiplikator dürfte für Infrastrukturausgaben höher sein als für Rüstungsausgaben, zudem bringt Nachfragestimulus mehr bei unterausgelasteten Kapazitäten als bei ausgelasteten Kapazitäten. In diesem Punkt gilt es zu bedenken, dass (1) eine planbare Nachfragesteigerung über ein Jahrzehnt Anreize setzt, Kapazitäten zu erhöhen, sowie (2) die Kapazitäten teilweise auch aus europäischen Nachbarländern zur Verfügung gestellt werden könnten. Für die Zinsbelastung gilt: derzeit liegt der Durchschnittszins für die gesamten, ausstehenden Anleihen der Bundesrepublik Deutschland bei etwas über 1,5%, diese dürfte sehr wahrscheinlich über die Zeit ansteigen, allerdings schrittweise.
Insgesamt erscheint es uns ein plausibles Szenario, dass die Schuldenstandsquote von den derzeit beobachtbaren rund 66% auf eine Spanne zwischen 75–80% ansteigen könnte. Dies würde beispielhaft einen Fiskalmultiplikator von 0,5, eine Inflationsrate von 2% gemäß EZB-Ziel und eine ungefähre Verdopplung des Durchschnittszinssatzes auf 3% unterstellen. Damit läge die Erhöhung der deutschen Schuldenquote vermutlich in einem gut tragbaren Bereich.
Die Woche voraus
Der Datenkranz der kommenden Woche dürfte maßgeblich von den US-Arbeitsmarktzahlen am Freitag und den (finalen) Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe (Dienstag) sowie für das Dienstleistungsgewerbe (Donnerstag) bestimmt werden. Letztere dürften sich im Spannungsfeld zwischen der US-Zollpolitik und den Aussichten auf Unterstützung der Wirtschaft in China und Europa bewegen. Hinsichtlich der Arbeitsmarktzahlen könnten erste Effekte der Entlassungswelle in US-Behörden und nahestehenden Dienstleistern erkennbar werden. In der Eurozone sowie wichtigen Mitgliedsländern werden am Anfang der Woche zudem die vorläufigen Inflationszahlen für den März vermeldet. In Japan steht zudem die große Tankan-Umfrage für das erste Quartal an.
Politisch dürfte ein Kulminationspunkt am Mittwoch die konkretisierte Zollpolitik der neuen US-Administration sein, hier soll es vor allem darum gehen, wie die USA auf Zölle und andere Handelshemmnisse der Handelspartner reagieren (sogenannte reziproke Zölle). Eine merkliche Verschärfung des effektiven Einfuhrzolls für die USA ist dabei zu erwarten, die Unsicherheit über die genaue Ausgestaltung bleibt aber hoch.
Insgesamt dürfte der Informationsfluss weiter bewegt bleiben, wie auch die Kapitalmärkte. Die Unsicherheit hinsichtlich der US-Zollpolitik könnte sich aber nach dem 2. April womöglich leicht reduzieren. Aus der Vogelperspektive betrachtet, kann man die US-Regierung dabei beobachten, wie sie das Angebot der Volkswirtschaft durch Zölle und verringertes Arbeitsangebot schmälert, während in Europa Vorbereitungen getroffen werden die Nachfrage in einem blutleeren Wachstumsumfeld merklich zu stärken. Letzteres dürfte mittelfristig ein deutlich kapitalmarktfreundlicheres Umfeld bedeuten.
Haben Sie eine gute Woche, whatever it takes,
wünscht Ihnen
Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy